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Peter
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Re: Bruchlandung einer TU-204 in Moskau

Ungelesener Beitragvon Peter » So 3. Feb 2013, 20:32

Auch ich hatte die Frage des möglichen Durchstartens. Danke KMS für die ausführlichen und detailierten Darlegungen. Es war das erste mal, daß ich mich derart umfassend mit einem aktuellem Flugunfall beschäftigt habe. Dabei denke ich immer an die Piloten, die in kürzester Zeit Entscheidungen treffen müssen. Bei aller Tragik kann man doch noch von Glück sprechen, daß die Maschine leer war. Mich berührt es immer besonders, wenn Menschen bei Ausübung ihres Berufes zu Tode kommen. Habe es leider öfter als Verantwortlicher erleben müsssen und dann konsequent Änderungen eingeleitet.
Hoffentlich ziehen die zuständigen Institutionen die entsprechenden Schlußfolgerungen hinsichtlich Pilotentraining, technische Veränderungen (der rote Knopf zum Landungsabbruch o.ä. lag mir auch schon auf der Zunge) und die barrierefreie Gestaltung der Auslaufzone nach der SLB.
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Kilo Mike Sierra
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Re: Bruchlandung einer TU-204 in Moskau

Ungelesener Beitragvon Kilo Mike Sierra » Mo 4. Feb 2013, 20:45

Kilo Mike Sierra hat geschrieben:...
Könnte es eventuell sein, daß die Tu-204 gar keinen Zwischenanschlag für Leerlauf-Umkehrschub hat, sondern die Piloten bewußt das Ausfahren der Schubumkehrmechanik abwarten müssen, bevor sie die Hebel auf maximalen Umkehrschub hochziehen?
...

Es gibt diesen Zwischenanschlag, doch scheint er nicht richtig funktioniert zu haben. Der Anschlag wurde freigegeben, bevor die Schubumkehr vollständig ausgefahren war.
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Thomas

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Peter
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Re: Bruchlandung einer TU-204 in Moskau

Ungelesener Beitragvon Peter » Mo 11. Feb 2013, 08:44

Ich habe kürzlich im russischen Newsletter von www.газета.ru einen Beitrag gelesen, den ich euch nicht vorenthalten möchte. Er ist etwas eigenartig beginnend mit dem Titel. Obwohl ja nun hinreichend die Ursachen der Katastrophe der TU-204 bekannt und veröffentlicht sind, hat ein führender Vertreter der russischen Luftfahrtindustrie anläßlich des indischen Luftfahrtsalons 2013 Dinge von sich gegeben, die zeigen, daß es nur um den Kommerz geht.
Ich hatte an und für sich vor im Schluß zu formulieren: "Liebe Forumsmitglieder, wenn ihr in der Übersetzung einen grammatischen Fehler findet, so könnt ihr ihn gern behalten. Findet ihr aber einen fachlichen Fehler, so teilt ihn mir bitte mit, denn ich bin in der Luftfahrt noch ein Lehrling."
Ihr könnt mir glauben, ich habe richtig übersetzt, der Herr Präsident hat es tatsächlich so formuliert. Sie wurden sicher deshalb auch so herausgestellt.
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TU-204 ist ein sicheres Flugzeug

Der Präsident der Vereinigung der Luftfahrtindustrie Russlands(OAK) Michail Pogosjan ist sich sicher, dass für die Katastrophe der TU-204 des Luftfahrt-Unternehmens RED WINGS Ende Dezember in Moskau keine konstruktiven Besonderheiten verantwortlich sind.
Dies teilte er als Antwort auf Korrespondentenfragen anlässlich des Luftfahrtsalons AERO INDIA 2013 in Bangalor mit, meldet www.газета.ru

Michail Pogosjan:
Die Flugzeuge dieser Serie flogen 16 Jahre ohne Probleme. In all diesen Jahren gab es nur 6 Fälle, dass die TU-204 über die SLB zwischen 70 bis 80 m hinausrollten. Der einzige Zwischenfall, der mit einer fehlerhaften Regulierung eines Triebwerkes verbunden war, ereignete sich in Nowosibirsk - ohne Katastrophenfolgen.

Bei der TU-204, die in Vnukowo verunglückte, waren auch die Triebwerke schlecht eingestellt. Die Flugzeuge dieser Serie - so erklärte Pogosjan - besitzen eine Seilzugsteuerung der Triebwerke. Dies sei bei Flugzeugen, die vor 20 Jahren gebaut wurden, normal.

Michail Pogosjan:
Damals gab es bei allen Flugzeugen Seilzugsteuerung der Triebwerke - bemerkte er.
Die SSJ-100 ist bereits mit einer elektronischen Steuerung ausgestattet, deshalb sind die Probleme, die wir mit diesem Flugzeug haben, reine elektronische Mathematik. Zwei Ereignisse beim Einfahren der Fahrwerke waren ein Programmfehler, den wir zwischenzeitlich beseitigten.


Michail Pogosjan weiter:
Red Wings betreibt die TU-204 effektiv aber die Wartung der Flugzeuge könnte besser sein

Mit der Triebwerkssteuerung befassen sich derzeit vier bekannte Unternehmen, aber zum Konstruktionsbüro TUPOLEW oder dem Hersteller der TU-204, KAPO haben sie keinerlei Beziehung, sagte der Vorsitzende der Produktionsvereinigung (OAK). Lediglich das Unternehmen "Triebwerkssevice Perm" arbeitet mit dem Unternehmen "Permer Triebwerksbau" zusammen.
Zurück zur Situation in Vnukowo. Selbst wenn die Triebwerke ordnungsgemäß eingestellt gewesen wären, wäre das Überfahren des Rwy-Ende unausweichlich geblieben. Selbst wenn sich der Schub verringert hätte, wäre das Flugzeug mit einer Geschwindigkeit von 180 km/h an diesem Punkt (tatsächlich 220 km/h - газета.ru) über das Ende der SLB hinaus gefahren, erklärte Pogosjan. Und wenn der Auslaufbereich länger wäre, würden in dem Falle die Fahrwerke wegbrechen und das Flugzeug in den Schneewehen steckenbleiben.
Der Präsident des OAK erklärte dann, daß die Schubumkehr nur 10% der Bremsleistung realisiert. Es ist auch nicht sinnvoll, die Schubumkehr bei einer Geschwindigkeit über 100 km/h zu aktivieren, denn dann beginnt sie "die Steine von der SLB in das Triebwerk zu saugen". 75% der erforderlichen Bremsleistung realisiert das Fahrwerk. Wegen der komplizierten Witterungsbedingungen und des geringen Gewichtes (das Flugzeug hatte auf diesem Flug keine Passagiere) setzte es einmal auf dem rechten und dann auf dem linkem Fahrwerk auf, der Pilot konnte mit den Bremspedalen nicht bremsen. Die restlichen 15% der erforderlichen Bremsleistung werden durch die Landeklappen, also die aerodynamischen Bremse realisiert, sie wurden nicht automatisch ausgelöst.

Michail Pogosjan:
Im Flugbetriebshandbuch ist klar formuliert, daß die automatischen Landeklappen (befinden sich an den Tragflächen der Flugzeuge - газета.ru)und die Revers sich einschalten, wenn das Flugzeug mit zwei Rädern des Fahrwerkes die Landebahn berührt.

Ausgehend von der konkreten Witterungssituation musste der Pilot gemäß Flugbetriebshandbuch die Landeklappen manuell ausfahren. "Dadurch verringert sich der Auftrieb und das Flugzeug beginnt zu sinken". Schließlich hätte der Pilot, nach den Worten Pogosjan, auf Grund des Risikos über die Landebahn hinauszuschießen, durchstarten müssen und nicht versuchen in den Schneewehen zu bremsen: "das Flugzeug kann bei der Geschwindigkeit - 220 km/h - starten".
Antwortend auf die Fragen zu den kommerziellen Perspektiven der TU-204-Serie, antwortete Pogosjan, daß sie nebulös wären, denn in den 20 Jahren konnte keine Serienproduktion aufgenommen werden. Insgesamt wurden von den TU-204 und TU-214 nur etwa 50 Stück produziert, erinnerte der Vorsitzende der OAK.

Michail Pogosjan:
Ohne staatliche Aufträge ist ein derartiges Programm nicht realisierbar. Für den übrigen Bereich gibt es keinen Markt." Aber im Interesse der Staatsaufträge wird das Programm fortgesetzt.


Original-Artikel in russischer Sprache
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Re: Bruchlandung einer TU-204 in Moskau

Ungelesener Beitragvon Kilo Mike Sierra » Mo 11. Feb 2013, 12:23

Bislang konnte nicht eindeutig geklärt werden, warum die Schubumkehr nicht ordnungsgemäß ausgefahren ist. Daher werden ab heute duch die Untersuchungskommission umfangreiche Versuchsreihen durchgeführt, bei der die Funktion der Schubumkehr am PS-90A Triebwerk untersucht sowie mögliche Fehlfunktionen des Verriegelungsmechanismus simuliert werden.
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Re: Bruchlandung einer TU-204 in Moskau

Ungelesener Beitragvon Flieger Bernd » Di 12. Feb 2013, 19:03

Peter hat geschrieben:Ausgehend von der konkreten Witterungssituation musste der Pilot gemäß Flugbetriebshandbuch die Landeklappen manuell ausfahren. "Dadurch verringert sich der Auftrieb und das Flugzeug beginnt zu sinken". ...


? Bild ?
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Re: Bruchlandung einer TU-204 in Moskau

Ungelesener Beitragvon DM-SMD » Mi 13. Feb 2013, 09:08

Flieger Bernd hat geschrieben:? Bild ?


Ich vermute mal einen Übersetzungs- oder Übermittlungsfehler und mit Landeklappen sind die Spoiler gemeint.
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Kilo Mike Sierra
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Re: Bruchlandung einer TU-204 in Moskau

Ungelesener Beitragvon Kilo Mike Sierra » Mi 13. Feb 2013, 10:31

Michail Pogosjan hat geschrieben:...
Der Präsident des OAK erklärte dann, daß die Schubumkehr nur 10% der Bremsleistung realisiert.
...

Das klingt sehr weit untertrieben.


Michail Pogosjan hat geschrieben:...
Es ist auch nicht sinnvoll, die Schubumkehr bei einer Geschwindigkeit über 100 km/h zu aktivieren, denn dann beginnt sie "die Steine von der SLB in das Triebwerk zu saugen"....
...

Es muß "unter 100 km/h" heißen, nicht "über 100 km/h".

Das mit den Steinen ist natürlich Unfug, denn dann dürfte man auch nicht starten. Beim Start ist die "Saugleistung" der Triebwerke noch höher als bei maximalem Umkehrschub.
Es gibt drei Gründe für die Nichtverwendung der Schubumkehr bei geringen Geschwindigkeiten:
1) Ihre Wirksamkeit läßt mit abnehmender Geschwindigkeit drastisch nach.
2) Bei geringen Geschwindigkeiten würde ein Triebwerk mit aktivierter Schubumkehr seinen eigenen heißen Abgasstrahl vorn wieder einsaugen und schlagartig überhitzen. Es kann auch zum Strömungsabriß an den Verdichterschaufeln kommen, so daß das Triebwerk beschädigt werden könnte.
3) Der umgelenkte Abgasstrahl könnte auf der Landebahn befindliche Fremdkörper hochwirbeln, die dann u.U. in das Triebwerk geraten. (Ok, auch Steine. Aber auf welcher Landebahn liegen denn schon Steine herum?)


Michail Pogosjan hat geschrieben:...
Die restlichen 15% der erforderlichen Bremsleistung werden durch die Landeklappen, also die aerodynamischen Bremse realisiert, ...
...

Der Luftwiderstand der ausgefahrenen Ground Spoiler verursacht keine nennenswerte Bremsleistung.
Die Wirkung der Ground Spoiler besteht darin, einen großen Teil des Auftriebs zu zerstören (to spoil the lift). Dadurch liegt unmittelbar nach dem Aufsetzen des Flugzeuges bereits der größte Teil des Flugzeuggewichtes auf den Fahrwerken. Aufgrund dieses von Anfang an hohen "Anpreßdruckes" können die Fahrwerksbremsen mit maximaler Effektivität arbeiten.
Ohne den Einsatz der Ground Spoiler würden die Flügel auch nach dem Aufsetzen noch relativ viel Auftrieb erzeugen. Bei einem derartig "leichten" Flugzeug zeigen die Bremsen nicht viel Wirkung.
Es hat schon Fälle gegeben (z.B. MD-82 in Little Rock (AK), 1. Juni 1999), wo Flugzeuge infolge nicht ausgefahrener Ground Spoiler, trotz Schubumkehr und maximaler Fahrwerksbremsung, nicht zum Stehen gebracht werden konnten und mit hoher Geschwindigkeit das Ende der Landebahn überschossen haben.
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Re: Bruchlandung einer TU-204 in Moskau

Ungelesener Beitragvon Flieger Bernd » Mi 13. Feb 2013, 17:35

DM-SMD hat geschrieben:
Flieger Bernd hat geschrieben:? Bild ?


Ich vermute mal einen Übersetzungs- oder Übermittlungsfehler und mit Landeklappen sind die Spoiler gemeint.


Gute Idee, das macht Sinn - Spoiler

Danke KMS, das ist hier für mich eine unerwartete Weiterbildung Bild
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Re: Bruchlandung einer TU-204 in Moskau

Ungelesener Beitragvon EA-Henning » Mi 13. Feb 2013, 19:01

Das war aber diesmal der eherenwerte Heiko alias DM-SMD.
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Re: Bruchlandung einer TU-204 in Moskau

Ungelesener Beitragvon Flieger Bernd » Mi 13. Feb 2013, 19:18

EA-Henning hat geschrieben:Das war aber diesmal der eherenwerte Heiko alias DM-SMD.

Erratum: Henning, beachte den Absatz (Abstand) zwischen den Zeilen !
Es ist wirklich Thomas gemeint Bild

Bei der meiner Туполева hießen die Dinger "Interzeptoren"
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