Verfahren bei gesundheitlichen Notfällen

Der Betrieb Verkehrsflug der INTERFLUG GmbH war die eigentliche Fluggesellschaft der DDR.

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Verfahren bei gesundheitlichen Notfällen

Ungelesener Beitragvon EA-Henning » Sa 5. Apr 2014, 18:41

Wie wurde eigentlich ein gesundheitlicher Notfall gehandhabt?
Waren dafür an Bord Medikamente und Hilfsmittel vorhanden?
Was passiert, wenn ein Passagier während des Fluges verstirbt?

Nicht unbedingt ein angenehmes Thema, trotzdem wäre es interessant zu wissen, wie die Verfahrensweise gewesen wäre.
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Re: Verfahren bei gesundheitlichen Notfällen

Ungelesener Beitragvon Silbertablett » So 13. Apr 2014, 11:01

Weites Feld - aber bitte sehr, endlich kann so eine alte Fliegerschraube wie ich mal wieder im Forumgeplauder mitdrehen!
In diesem Sinne schönen Sonntagsgruß in die Runde!
Jede Maschine hatte eine sogenannte NOTTASCHE für die Erste Hilfe bei (richtigen) Notfällen und eine Sani-Tasche für die kleinen Wehwehchen. Erstere war fest installiert an Bord und wurde vom Medizinischen Dienst betreut. Details beschreibe ich später, muss nachschauen in meinen alten Unterlagen.
Die Sanitasche wurde vor jedem Flug in der Vorstartkontrolle gegen Unterschrift übernommen und nach der Landung dito. übergeben. Wichtig war immer, dass die Schere drin war...
Die Tasche enthielt diverse Schmerzmittel, Nasentropfen, Riechampullen, Tabletten gegen Sodbrennen und Übelkeit, Pflaster- und Verbandszeug für kleinere Verletzungen auch. Soviel habe ich in erster Erinnerung noch im Kopf. Ergänzung folgt.
Diese Tasche stopften wir in der TU in die Hutablage, bei der 18 und bei der 62 hatte sie ein separates Fach. Wir liebten die Tasche insofern nicht besonders, weil sie immer ein zusätzliches Handgepäckstück war - und weil sie z.B. nach Feiernabend den Umweg in die Vorstartkontrolle notwendig machte. "Wer wartet auf Catering, wer nimmt die Sani mit?!" so die Standardarbeitsverteilung, nachdem die PAX ausgestiegen waren...
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Re: Verfahren bei gesundheitlichen Notfällen

Ungelesener Beitragvon Silbertablett » So 13. Apr 2014, 12:03

Erste-Hilfe-Ausbildung gehörte zum Standard der Stewardessen-Grundausbildung und zu JÜP/Kontrollflug (theoretische und praktische Jahresüberprüfung des Kabinenpersonals). Da wurde nichts anderes vermittelt, durchgespielt und abgefragt als das, was heute auch unter dieser Überschrift läuft. Die Vision einer Geburt an Bord oder die eines Todesfalls gehörte zum erfreulicherweise rein Theoretischen. Meines Wissens nach ist an Bord von IF kein Kind zur Welt gekommen.
Verletzungen diverser Art hingegen schon und dazu musste es nicht erst zu unvorhergesehenen Flugzuständen kommen. Die Knicktüren zu den Toiletten boten für Ungeschickte Chance auf leichte Fingerquetschung, die niedrigen Türdurchgänge für Hochgewachsene auch. Also war es gut, wenn man wusste, wie eine Blutung zu stillen und ein Verband anzulegen ist und dazu hatte man die Sanitasche zur Hand. Ernste Geschichten (Brüche z.B.) hätten mit Hilfe der schon erwähnten Nottasche erstversorgt werden können.

Speziell waren Erkrankungen der inneren Art - weil man als Laie, und das waren und sind die Stewardessen letztenendes dann doch, nicht immer gut erkennen kann, warum einer jämmerliche Bauchschmerzen hat. Da reicht die Spanne der Vermutungen vom 1-A-Simulanten bis hin zum Blinddarmdurchbruch.
Ich hatte mal eine Frau an Bord, die hatte gleich nach dem Start sowas wie eine Sturzblutung. Der Sitz war in wenigen Minuten durchtränkt, sie wand sich in Leibschmerzen. Die Frage "Baby" verneinte sie vehement, verstand sonst kein Wort Deutsch. Was sollte man da machen? Wir sind in Prag runter...
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Re: Verfahren bei gesundheitlichen Notfällen

Ungelesener Beitragvon EA-Henning » So 13. Apr 2014, 12:29

Ich hatte mal eine Frau an Bord, die hatte gleich nach dem Start sowas wie eine Sturzblutung. Der Sitz war in wenigen Minuten durchtränkt, sie wand sich in Leibschmerzen. Die Frage "Baby" verneinte sie vehement, verstand sonst kein Wort Deutsch. Was sollte man da machen? Wir sind in Prag runter...

Wird so ein Sitz ausgebaut, oder gibts da Tricks zum reinigen?
Wie ist die Entscheidungskette zur ausserplanmässigen Landung?
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Re: Verfahren bei gesundheitlichen Notfällen

Ungelesener Beitragvon Silbertablett » So 13. Apr 2014, 13:35

... der Sitz wurde in PRG vom Bodenpersonal gereinigt, so gut es ging. Es verblieb Feuchtigkeit im Gewebe, was auf dem Weiterflug kein Problem war, denn der Sitz blieb ja leer. Heimwärts kann es gut sein, dass wir ihn zusätzlich mit (blütenweißen) Frottee-Handtüchern abdeckten, was auch mal für Schokoladenrückstände etc. als Tarnung herhalten musste. Auf der Homebase, also in SXF, wurden stark verunreinigte Sitze ausgebaut und ersetzt.

Die Entscheidung, außerplanmäßig zu landen, ist freilich von der Dringlichkeit des Geschehens abhängig. Im beschriebenen Fall war es extremer Blutverlust, der kein langes Debattieren zuließ. Der Captain forderte klare Beschreibung des Sachverhaltes und ein persönliches Statement der Brigadestewardess - dann fiel der Hammer und via Sprechfunk setzten die Mechanismen ein, die für sowas international vorgesehen waren. In PRG stand ein Krankenwagen an der Gangway, ein Arzt kam an Bord und schließlich wurde die junge Frau hinausgeleitet ... und das war es schon.
Ich weiß nicht mehr, ob die PAX ausstiegen oder an Bord blieben, während der Sitz desinfiziert wurde; wichtig war, dass der Patientin Lebensgefahr drohte und da musste schnell reagiert werden.

Grundsätzlich war es so und ich nehme an, das ist heute nicht anders, dass das Risiko genau abzuwägen war und im Zweifel das Menschliche gegenüber dem Ökonomischen überwiegt. Leichtfertig ist noch keiner weitergeflogen - ebenso nicht aus Spaß und Dollerei eben mal zwischengelandet...
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Re: Verfahren bei gesundheitlichen Notfällen

Ungelesener Beitragvon EA-Henning » So 13. Apr 2014, 14:41

Danke für Deine sehr interessanten Ausführungen.
Wenn bekannt, ging es für die Patientin positiv aus?
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