Akten zum Absturz von Flugzeugen in der DDR

Der Betrieb Verkehrsflug der INTERFLUG GmbH war die eigentliche Fluggesellschaft der DDR.

Moderator: Kilo Mike Sierra

Flieger Bernd
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Ungelesener Beitragvon Flieger Bernd » Mo 4. Feb 2008, 19:01

Hallo Henry,
dieses Erinnern macht müde :-( brauche kleine Pause.
Heute Nacht ging mal wieder ein kleines Schubfach auf
in meiner "Dattel" ... man kann das nicht vergessen aber
wegstecken ... kommt trotzdem wieder ... :roll:
Also in diesem "Schubfach" war der Name
Hubert Pospiech.
Der Junge hat lange Zeit Auswertung gemacht "Besondere Vorkommnisse"
und unter anderem ein Glatteisproblem auf der SLB in Warschau mit IF Beteiligung erklärt ... :evil: weil er gut die Polnische Sprache ... also
der Tondraht stand zur Verfügung (war ja auch unser a/c) äh...
darf ich das hier schreiben ??

Ich vertrödele mich schon wieder :oops:

Also wenn wir Hubert finden hätten wir eine Chance zu fragen,
wo diese Aufzeichnungen gelagert sind ... wenn überhaupt !!

Das ist ein anderes Thema - da werde ich jetzt nicht diesen Thread
noch weiter vermurksen :idea: Bernd
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DDA
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Ungelesener Beitragvon DDA » Di 5. Feb 2008, 13:40

Ich versuch mich mal zu erinnern, wie ich die Absturzursache der SEA im opf habe

1) Im (nicht optisch einsehbaren, später wurden dort Sichtluken eingebaut) Heckbereich kam es in der Nähe einer ca 300°C warmen Heißluftleitung zur Beschädigung einer Kabelisolation.
2) Zwischen Kabel und Zelle entstand ein Lichtbogen.
3) Dieser Lichbogen erzeugte einen Brand in einem Behälter mit brennbarar Flüssigkeit (Kraftstoffzusatz?)
4) Der Brand erzeugte Temperatiren um 2000°C, davon wurde die Struktur des Rumpfes nachhaltig geschädigt.
5) Das Leitwerk brach nach längerer Hitzeinwirkung komplett ab, damit war die Maschine unsteuerbar und nicht mehr zu halten.

Die Besatzung hatte nicht die Spur einer Chance.

Leider war die Presse der westlichen Nachbarn schon damals mit relativ unhaltbaren Vermutungen sehr schnell bei der Hand. Im Zusammenhang mit der meiner Ansicht nach sehr mangelhaften Informationspolitik der Untersuchungsbehörden waren der Gerüchtewildwuchs beizeiten Tür und Tor geöffnet. So sind auch die Gerüchte um das vermeindliche Einfliegen in die Kerosinwolke des Kraftstoffnotablasses (technisch einfach kompletter Unsinn) oder die angeblich fehlende Freigabe zur Landung in Cottbus entstanden.

Axel
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Ungelesener Beitragvon Flugi » Di 5. Feb 2008, 17:01

Ich war 72 in Cottbus beim JG 1 und wie DDA schon sagte, eine Notlandung in Cottbus wäre zwar technisch möglich gewesen, stand aber garnicht zur Debatte. Die Besatzung in der Il-62 hatte bis zum Auseinanderbrechen keine Ahnung was mit ihrer Maschine wirklich los war.
Interessantes am Rande.
Im Herbst des gleichen Jahres stand plötzlich eine Il-18 der IF auf dem Hof. Sicherheitslandung wegen des Ausfalls eines TW. Die Passagiere wurden mit Bussen wieder nach Berlin zurück gebracht. Eine Il-14 brachte schnell ein paar Techniker aber das TW war nicht mehr zum Leben zu erwecken. Schlußendlich flog die Il-18 mit drei Treibwerken nach Berlin zurück.
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Mein Beitrag zur allgemeinen Verwirrung

Ungelesener Beitragvon Kilo Mike Sierra » Di 5. Feb 2008, 17:28

Ich hätte hierzu noch ein paar Ergänzungen zum Beitrag von DDA. Diese basieren auf einer ausführlichen Schilderung des technischen Unfallhergangs, die mir ein Ingenieur aus dem Betriebsteil Flugtechnik im Mai 1982 gegeben hat.

- Die Wärmeisolation des Bleed Air Duct (Leitung für Zapfluft) im technischen Raum vor dem Frachtraum 6 soll defekt gewesen sein und so konnte die austretende Hitze auf die Umgebung (Kabel) einwirken.
Beide Räume liegen im Rumpfheck, ausserhalb der Druckkabine und sind somit im Flug nicht zugänglich.

- Der Raum enthielt keine Brandmelder.
So hatte die Besatzung auch anfangs keine Kenntnis von dem Brand.
Wieso sie kurz vor dem Ende dann doch noch mitteilen konnte "Hatten Brand." ist mir allerdings bis heute unklar.
Mögliche Deutung dieser Meldung (wenn es sie tatsächlich gegeben hat): Sie wussten von einem Brand und hielten ihn entweder für gelöscht oder von selbst verloschen.


- Die Flüssigkeitsbehälter enthielten keine brennbare Flüssigkeit, sondern Löschmittel zur Einspritzung bei einem Triebwerksbrand.

- Die tragenden Bauteile der Leitwerkskonstruktion bestanden aus einer Legierung mit relative hohem Magnesiumanteil und sei schliesslich selbst in Brand geraten.
Wie auch immer, die Festigkeit der Konstruktion wurde durch Feuer und/oder Hitze bis zum Versagen beeinträchtigt.

- Nach dem Unfall sind die beiden Sichtfenster (zum Frachtraum 6) und auch Brandmelder eingebaut worden.
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Thomas

Mein Auto kann ich innerhalb von 5 Minuten komplett "aufladen" (sogar überall unterwegs) und komme damit ca. 700 km weit.

Flieger Bernd
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Ungelesener Beitragvon Flieger Bernd » Di 5. Feb 2008, 18:50

Flugi hat geschrieben: ... Interessantes am Rande.
Im Herbst des gleichen Jahres stand plötzlich eine Il-18 der IF auf dem Hof. Sicherheitslandung wegen des Ausfalls eines TW. Die Passagiere wurden mit Bussen wieder nach Berlin zurück gebracht. Eine Il-14 brachte schnell ein paar Techniker aber das TW war nicht mehr zum Leben zu erwecken. Schlußendlich flog die Il-18 mit drei Treibwerken nach Berlin zurück.


Kann ich "by heart" bestätigen. Habe mich doch etwas gewundert
über diesen Vorfall damals. Die IL-18 war sehr zuverlässig - ich meine
das "Stückchen" bis SXF wäre noch zu schaffen gewesen,
nun ja - sicher ist sicher aber andere fanden das auch ungewöhnlich
zumal Cottbus Militärplatz war
und das war in der DDR streng geheim
Unterlagen dafür gabs nur im "Westen" :-P

Ich war 3 Jahre auf diesem Vogel, FlieBe.

PS: Magnesium wurde dem Aluminium beigefügt um eine
hohe Festigkeit für a/c zu erreichen.
Flugzeugaluminium = Dural ... Aluminium, Kupfer, Magnesium
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Gast
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Re: Mein Beitrag zur allgemeinen Verwirrung

Ungelesener Beitragvon Gast » Di 5. Feb 2008, 21:51

Kilo Mike Sierra hat geschrieben:- Der Raum enthielt keine Brandmelder.
So hatte die Besatzung auch anfangs keine Kenntnis von dem Brand.
Wieso sie kurz vor dem Ende dann doch noch mitteilen konnte "Hatten Brand." ist mir allerdings bis heute unklar.
Mögliche Deutung dieser Meldung (wenn es sie tatsächlich gegeben hat): Sie wussten von einem Brand und hielten ihn entweder für gelöscht oder von selbst verloschen.


Ist das eine Vermutung oder in irgendeiner Form bestätigt, dass die Mitteilung "Hatten Brand." von der Crew abgegeben wurde?

Kilo Mike Sierra hat geschrieben:- Die Flüssigkeitsbehälter enthielten keine brennbare Flüssigkeit, sondern Löschmittel zur Einspritzung bei einem Triebwerksbrand.


In welchem Zuammenhang steht dies mitdem Vorfall?
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Henry Wulff
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Ungelesener Beitragvon Henry Wulff » Di 5. Feb 2008, 22:00

Hallo zusammen und danke für die vielen Infos bisher. Wem noch etwas einfällt - ich bin für jede weitere Info dankbar.

Hatte in diesen Tagen mit einem ehemaligen NVA-Piloten Kontakt, der zum Zeitpunkt der Kathastrophe beim HG-34 stationiert war und an der Auswertung des Absturzes beteiligt war. Dort stand ständig eine Besatzung Mi-4 in Bereitschaft auf dem Flugplatz, die auch an diesem Tag angefordert wurde. Sie flog nach Schönefeld, nahm einen Fotografen auf und flog an den Absturzort, um Aufnahmen aus der Luft von der Verteilung der Trümer am Boden zu machen.

Seine Ausführungen zur Kathastrophe:
Die Il-62 hat für die Frischluft- und Energieversorgung des Flugzeuges am Boden, wenn die Triebwerke noch nicht laufen, eine Hilfsturbine im Heck. So sind heute auch alle anderen Verkehrsflugzeuge ausgerüstet.
Diese Hilfsturbine wird von den Flugzeugführern angelassen und auch außer Betrieb gesetzt. Für diese Turbine gab es in der Besatzungskabine nur ein grünes Anzeigetableau (Turbine läuft). Wenn die Turbine abgeschalten wurde, war dieses Tableau aus. In besagtem Fall viel die Beleuchtung für dieses Tableau aus und für die Besatzung war beim Scheck diese Turbine ausgeschalten, was auch auf dem Stimmrekorder verzeichnet war.
Aber die Turbine lief noch!
Der Flug wurde gestartet und im Flug wurde der Ausfall der Steuerung der Höhenflosse bemerkt. Nachdem sich diese Steuerung nicht wieder in Betrieb setzen ließ, wurde der Rückflug angetreten.
Eine Notlandung in Cottbus oder Sperenberg kam nicht in Betracht und Geschichten darüber sind Legende.
Die Besatzung hatte gar keine Ahnung, worin die Ursache dieses Versagens beruhte und flog deshalb ohne Bedenken zum Ausgangsflughafen zurück.
Dieser Heckraum ist im Flugzeug nicht zugänglich, da er nicht hermetisiert ist.
Eine Landung mit vollem Startgewicht bei dieser Einstellung der Höhenflosse hätte notfalls sehr hart werden können ( Beschädigung des Fahrwerkes)und deshalb wurde entsprechend der Vorschrift Kraftstoff abgelassen.
Dies alles im Zusammenhang: die Besatzung ist im völligen Unwissen über die Ursache.
Und hier arbeitet die Zeit gegen diese Entscheidung. Die Hilfsturbine arbeitet immer noch, der Heckraum wird überhitzt und die elektrisch-hydraulische Steuerung der Höhenflosse ist dadurch bereits zerstört. Im weiteren Verlauf wird das tragende Gefüge des Rumpfes beim Übergang zum Leitwerk durch die hohen Temperaturen so geschädigt, dass das Leitwerk abbricht.
(dieser Abschnitt ist im Flug extrem belastet) So kommt es zum Absturz.
Die Auswertung führte dann zu einer Veränderung der im Cockpit vorhandenen Anzeigen bei dem Typ Il-62 - zusätzliche Anzeige der Abgastemperatur der Hilfsturbine, damit war ein solcher Unfall ausgeschlossen. Außerdem wurden in diesem Bereich Brandmelder eingebaut Eigentlich hätte das Konstruktionsbüro den Schaden entsprechend ausgleichen müssen, aber den Streit hat Erich H. dann so entschieden, wie Du bereits ermittelt hast.


Infos könnt ihr auch gerne via Mail senden: henry.wulff@gmail.com
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Gast
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Ungelesener Beitragvon Gast » Di 5. Feb 2008, 22:07

Flieger Bernd hat geschrieben:
Hubert Pospiech.
Der Junge hat lange Zeit Auswertung gemacht "Besondere Vorkommnisse"
und unter anderem ein Glatteisproblem auf der SLB in Warschau mit IF Beteiligung erklärt ...


Hey Bernd,

war Hubert bei der IF, einer Waffengattung oder einem Ministerium?

Gruß, Henry
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Henry Wulff
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Zu Spät!

Ungelesener Beitragvon Henry Wulff » Di 5. Feb 2008, 22:11

Flieger Bernd hat geschrieben:Hubert Pospiech


Sorry Bernd, hab gerade herausgefunden, dass der Mann am 17.06.2006 73jährig an Krebs verstorben ist, sofern es sich um den Hubert Pospiech handelt, der auf dieser Seite verzeichnet ist: http://www.interflug.biz/im_gedenken_an.htm
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Kilo Mike Sierra
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Ungelesener Beitragvon Kilo Mike Sierra » Di 5. Feb 2008, 23:31

Kilo Mike Sierra hat folgendes geschrieben:
- Der Raum enthielt keine Brandmelder.
So hatte die Besatzung auch anfangs keine Kenntnis von dem Brand.
Wieso sie kurz vor dem Ende dann doch noch mitteilen konnte "Hatten Brand." ist mir allerdings bis heute unklar.
Mögliche Deutung dieser Meldung (wenn es sie tatsächlich gegeben hat): Sie wussten von einem Brand und hielten ihn entweder für gelöscht oder von selbst verloschen.


Ist das eine Vermutung oder in irgendeiner Form bestätigt, dass die Mitteilung "Hatten Brand." von der Crew abgegeben wurde?

Wenn ich mich recht erinnere, findet sich dieses in der Tat rätselhafte Detail in dem Buch "Weg und Absturz der Interflug". Der Autor gibt dort eine Zusammenfassung des Unfallhergangs einschliesslich des Funkverkehrs. Seine Darstellung beruht offenbar auf dem offiziellen (jedoch damals nicht öffentlichen) Unfallbericht.
Sicherheitshalber werde ich noch einmal in dem Buch nachschauen, ich habe es im Moment nur nicht zur Hand.


Kilo Mike Sierra hat folgendes geschrieben:
- Die Flüssigkeitsbehälter enthielten keine brennbare Flüssigkeit, sondern Löschmittel zur Einspritzung bei einem Triebwerksbrand.


In welchem Zuammenhang steht dies mitdem Vorfall?

Die Behälter mit dem Löschmittel stehen in keinem Zusammenhang mit dem Unfall. Jedoch hatte DDA in seinem oben stehenden Beitrag dargestellt, die Behälter hätten evtl. einen brennbaren Kraftstoffzusatz enthalten, der dann entzündet worden wäre.


Neu ist für mich wiederum der von Henry Wulff zuletzt erwähnte Umstand, dass die TA-6 (APU) noch gelaufen sei und den Brand verursacht haben soll. Das wirft gleich wieder ein paar neue Fragen auf, die mich zweifeln lassen, aber das bedeutet erst einmal noch gar nichts.

Auf jeden Fall kommen wir der Sache langsam näher, vielleicht auch auf dem einen oder anderen Umweg. Daher lasst uns schön neugierig bleiben.
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Thomas

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