AFTN Flugfernmeldedienst

Auch der Flugsicherungsdienst war unter dem Dach der INTERFLUG organisiert.

Moderator: Kilo Mike Sierra

fdb_1974
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AFTN Flugfernmeldedienst

Ungelesener Beitragvon fdb_1974 » Sa 24. Mai 2025, 09:39

Hallo alle,

nachdem ich nun schon viele Jahre im Luftfahrtforum angemeldet bin, aber wirklich nur ganz sporadisch (alle paar Monate) mal kurz reingeschaut habe, hat es mich jetzt irgendwie wieder "gepackt" .. >grins<

Ich wollte einfach mal anfragen, ob es hier noch Kolleginnen/Kollegen gibt, die früher im AFTN Flugfernmeldedienst gearbeitet haben. Ich weiß nicht, ob das damals in der DDR ein "Hauptjob" war oder nebenbei (neben anderen FS-Diensten) mitgemacht wurde.

Ich selbst habe als 17-Jähriger von 1975 - 1978 in der AFTN Flugfernmeldezentrale "A300" (EDDDYF) in Frankfurt/M gearbeitet, von 1978 - Ende 1989 in der Flugfernmeldestelle der BFS/Zentralstelle (EDDAYF) in FFM.

Würde mich sehr freuen von jemandem zu hören (quasi zum "nachträglichen" Erfahrungsaustausch >grins< )

Grüße
Franz
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Kilo Mike Sierra
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Re: AFTN Flugfernmeldedienst

Ungelesener Beitragvon Kilo Mike Sierra » So 25. Mai 2025, 16:18

Willkommen, Franz.

Ich dürfte zur Zeit der einzige im Forum sein, der mit AFTN zu tun hatte. Als junger Ingenieur kam ich nach dem Abschluß der Uni direkt zum Betrieb Flugsicherung der INTERFLUG in das AFTN Comms Center auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld.
AFTN war ein Hauptjob. Wir hatten ca. sieben Operateure, die im 24/7 Dienst arbeiteten. Da sie dem operativen Dienst der Flugsicherung zugerechnet wurden, trugen sie die blaue Dienstuniform der INTERFLUG. Dazu kamen ca. sechs Kollegen in der Technik (Wartung, Software-Entwicklung) die nur Tagschicht plus Bereitschaftsdienst arbeiteten.

Unsere automatische Fernschreibspeichervermittlung war vom Typ KLB5 und war im August 1982 in Betrieb gegangen. Hersteller war die französische Firma SESA aus Paris (kennt heute keiner mehr). Als Endgeräte hatten wir Alcatel S100 Bildschirmfernschreiber und Ampex D80 Terminals.

Wir hatten drei Standleitungen zu den Nachbarländern: nach Prag, Warschau und Kopenhagen. Eine Direktleitung nach Frankfurt gab es nicht, was natürlich an der großen Politik lag. Da das AFTN-System so ähnlich wie das automatische Routing von E-Mail funktioniert, war das praktisch natürlich kein Problem. Wir bekamen auch alle relevanten Meldungen von der BFS. Diese wurden in der Regel über Prag nach Berlin geleitet.
Neben dieses Leitungen ins Ausland gab es weitere Standleitungen und unzählige Wahlverbindungen zu den Flughäfen, Agrarflugplätzen, Militärflugplätzen, GST-Flugplätzen sowie zivilen und militärischen Flugischerungsstellen im Inland.

Ich erinnere mich nur noch an wenige Adressen.
- ETBSZTZX - Schönefeld Tower
- ETBNZQZX - Berlin-Schönefeld FIR
- ETBSYFYV - unser "Büro" (bin mir aber nicht mehr sicher)

Wenn Du hier im Forum nach AFTN suchst, wirst Du ein paar weitere Erwähnungen des Themas finden.

Meine große Frage: Welches System hattet Ihr in Frankfurt?

AFTN - Aeronautical Fixed Telecommunications Network (das private "Internet" der Flugsicherung in der ganzen Welt)
BFS - Bundesanstalt für Flugsicherung
ED - ICAO country code für Deutschland
ET - ICAO country code für die DDR
ETBN - ICAO location code für die Berlin-Schönefeld FIR
ETBS - ICAO location code für den Flughafen Berlin-Schönefeld
FIR - Flight Information Region
GST - Gesellschaft für Sport und Technik
SESA - Société des Études des Systèmes Automatiques
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Thomas

Hier könnte ein flotter Spruch stehen.

EA-Henning
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Re: AFTN Flugfernmeldedienst

Ungelesener Beitragvon EA-Henning » Mo 26. Mai 2025, 11:09

Klasse. War besser, als Wikipedia.
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fdb_1974
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Re: AFTN Flugfernmeldedienst

Ungelesener Beitragvon fdb_1974 » Mo 26. Mai 2025, 12:27

Hallo Thomas, hallo Henning
herzlichen Dank für die vielen sehr interessanten Infos...


Nach der Ausbildung zum "Flugdatenbearbeiter" (diese bestand aus ACC/TWR, Fernmeldedienst, Flugberatungsdienst mit jeweils einer Arbeitsplatzzulassung in jedem Bereich) wurde unser Lehrgang mit ca. 12 Leuten in 2 Teile gesplittet. Der erste Teil arbeitete zukünftig im ACC FFM, der zweite Teil kam (ohne evtl. nach Wünschen gefragt zu werden) in die Flugfernmeldezentrale.

Die FFZ befand sich am Flughafen FFM im Erdgeschoss und war 1972 vom alten Terminal in das "neue" Terminal 1 gezogen und gleichzeitig mit "modernster" Technik ausgestattet worden.

Wir "Jungen" kamen im September 1975 dorthin, die Belegschaft bestand damals ausschließlich aus älteren Herrschaften (Angestellten), die fast alle noch im Krieg als Funker, Fernmelder, Bordfunker etc gearbeitet hatten und deren Rente jetzt kurz bevorstand.

Die FFZ trug offiziell den Namen: "Siemens Automatische Fernschreibspeichervermittlung A300".

Wie diese Anlage technisch genau funktionierte, wussten wir - als reine Betriebsoperateure - nicht.

Wir durften ja technisch an den Maschinen selbst nichts machen ausser Lochstreifen, Papier und Farbband wechseln. Selbst wenn sich einmal 2 Typenhebel eines Fernschreibers leicht verklemmt hatten und die man mit einem Fingerschnipp hätte lösen können, mussten die Techniker gerufen werden.

Unsere Fernschreiber waren alle ausnahmslos Siemens T100 im grauen, schallgedämpften "213-er Stand-Gehäuse".

t100.jpg
t100.jpg (33.36 KiB) 503 mal betrachtet



Die Direktverbindungen zu den Nachbarzentralen gingen nach Kopenhagen (EKCHYF), Amsterdam (EHAMYF), Brüssel (EBBRYF), Paris-Orly (LFFFYF), Zürich (LSLSYF), Wien (LOWWYF) und Prag (LKPRYF). Wie Du bereits erwähntest, eine Direktkleitung nach ETBS gab es von FFM keine, das lief von uns aus alles über LKPR

Zu dieser Zeit (1975-1978) bestanden die ICAO-Location Indicator-Adressen noch aus 6 Buchstaben. Ortskennung = 4 Buchstaben + 2 Buchstaben für den Empfänger (z.B. xxxxYF für Fernmeldestelle, xxxxZT für Tower, xxxxZP für Flugberatung). Irgendwann wurden die Kombinationen knapp und die ICAO stellte (ich denke es war 1982) die Buchstaben für den Empfänger auf 3-stellig + Füllbuchstaben) um. Das sah dann so ähnlich aus: xxxxYFZX oder xxxxZTZX.

Die "A300" bestand damals aus 6 oder 7 Räumen:

- Betriebsraum mit ca. 5 Arbeitsplätzen (Bearbeitung von fehlerhaften AFTN-Meldungen, Handvermittlungsarbeitsplätze zu einigen Luftfahrtgesellschaften und Flugplätzen, TELEX etc)

- Vorne an der Stirnseite saß der Wachleiter hinter einem riesigen Pult mit hunderten von Anzeigen, auf denen jeweils eine evtl. Störung einer Leitung mit roter Lampe angezeigt wurde.

- Büro des Hauptwachleiters, direkt angrenzend an den Betriebsraum mit großer Glasscheibe, er hatte also immer einen genauen Blick, was im Betriebsraum vor sich ging.

- Ausgangskontrollmaschinenraum ("AKM"). Hier standen in einem großen schallgedämpften Schrank ca. 100 Fernschreiber, auf denen sämtlicher Verkehr in's Ausland, zu den deutschen Flugplätzen (incl. Militärs, damals EDU., EDA, EDO) mitprotokolliert wurde. Wurde von irgendeinem Empfänger ein Fernschreiben erneut angefordert, da es "vergammelt" angekommen war, mussten wir dies aus den Protokollmaschinen raussuchen, abtippen und erneut an den Empfänger übermitteln.

Die Arbeit im AKM war sehr entspannend, da nur sehr selten etwas angefordert wurde. Die meiste Zeit bestand aus Zeitung/Bücher lesen und ähnlichen Beschäftigungen.

Zu jeder vollen Stunde wurden alle Maschinen gecheckt, ob Papier, Farbband, Lochstreifen noch in Ordnung waren, das war eigentlich die Hauptaufgabe dort.

- Die Techniker hatten ihre eigenen Räume mit den gesamten technischen Anlagen, diese waren ebenfalls recht umfangreich, wir waren aber nur selten darin, weil uns das nicht so interessiert hat und wir auch keine Ahnung davon hatten.

- Dann gab es noch das Büro des Leiters der Zentrale sowie Aufenthaltsraum und 2 kleine Räume, vollgepfropft mit Verbrauchsmaterial wie Papier, Lochstreifen, Farbbänder etc.

Das Verhältnis zwischen den alten Angestellten und den jungen Beamten, die ab 1975 dort hinkamen war außerordentlich gut. Es gab eigentlich nie Langweile, auch nicht in den langen Nachtdiensten.... Man hat halt noch miteinander geredet. Die Angestellten haben vom Krieg oder der Nachkriegszeit erzählt, die Jungen haben von Diskotheken und den aktuellen Hits der 70er Jahre erzählt, das war schon eine schöne Zeit.

Ich habe hier noch irgendwo alte Fotos aus der Zeit, ich muss da mal die interessantesten raussuchen und hier hochladen.

Falls Du noch Fragen haben solltest, jederzeit gerne, habe auch noch lockeren Kontakt zu ganz wenigen Kollegen/innen von damals, die jetzt alle schon lange in Rente sind...

Viele Grüße
Franz
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Re: AFTN Flugfernmeldedienst

Ungelesener Beitragvon fdb_1974 » Mo 26. Mai 2025, 18:19

Hier die ersten Fotos, bei evtl. Interesse kann ich noch mehr hochladen ....

Betriebsraum der A300, vorne links der Wachleiter an seinem Überwachungspult, ganz hinten rechts der Hauptwachleiter in seinem Kabäuschen.....

FFZ_08_12_1976.jpg


Hier der gleiche Raum von der entgegengesetzten Seite....
diese Fotos wurden für die Presse gemacht, die Dame vorne links war Sekretärin in der Verwaltung und hatte von Fernschreibern keine Ahnung, der Herr rechts neben ihr (mit der schwarzen Brille) war Wachleiter und arbeitete nie am FS, sondern "überwachte" nur........

FFZ_10_02_1977.jpg


Zwei Fotos aus der Technik-Abteilung, kann leider keine Infos dazu geben:
A300_Lo380_Mai_1978.jpg

WolfgangK_4_HVT_1980er.jpg


Hier nocheinmal wie im ersten Posting erwähnt, die Leitwegpläne der FFZ FFM (leider nicht so gut lesbar)

Wandkarte_Mai_1978.jpg

Wandkarte_Europa_1980er.jpg

Leitwegplan_Inbound_A300_Bild_von_Rudi_Breuer.JPG
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Re: AFTN Flugfernmeldedienst

Ungelesener Beitragvon EA-Henning » Mo 26. Mai 2025, 22:54

Interessant wäre der Vergleich der Personalstärke heute und damals. Im Hinblick darauf, daß es früher zwar weniger Traffic gab, aber auch nicht EDV-Anlagen auf dem Level heutiger Systeme. Andererseits sind die Anforderungen an EDV-Systeme eher auf Comfort ausgerichtet.
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Re: AFTN Flugfernmeldedienst

Ungelesener Beitragvon fdb_1974 » Di 27. Mai 2025, 11:02

Damals war die FFZ recht "üppig" mit Personal ausgestattet, es gab 8 Schichten mit je ca. 8 Leuten. Das war für den normalen Betrieb m.E. etwas überdimensioniert, hatte aber den Vorteil, dass der Betrieb in keinster Weise eingeschränkt werden musste, selbst wenn mal 3 oder 4 Leute eines Teams krank geworden wären. Kann mich aber nicht erinnern, dass von den "Alten" überhaupt in den 3 Jahren in denen ich dort war, mal einer krank geworden ist (Zumindest in unserem, dem Team vor und hinter meiner Schicht).

Ab ca. 1986 wurde die Technik dort dann schrittweise modernisiert (PC, Server etc), das Personal langsam runtergefahren. (Ich habe das dann leider nicht mehr mitbekommen). Wer jetzt diesen Bereich wo, mit wieviel Leuten und mit welcher Hardware macht, entzieht sich leider meiner Kenntnis.
Ich vermute, dass der ganze Bereich im Jahre 2002 nach dem DFS-Umzug nach Langen mit dorthin gewandert ist.
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Re: AFTN Flugfernmeldedienst

Ungelesener Beitragvon EA-Henning » Di 27. Mai 2025, 14:35

Im Sinne der Effizienz wird ja überall herunter gefahren. Eine Auswirkung dessen ist, daß diese Systeme, egal ob Flugsicherung oder Schulspeisung, der anfällig sind. Kleinste Störungen des Systems bringen das System zum Zusammenbruch. Wo etwa früher ein Zug Verspätung hatte, kommt er heute gar nicht. Bei der Flugsicherung gab's in der Vergangenheit auch erhebliche Störungen. Da alles massiv vernetzt ist und von relativ wenigen Leuten bedient wird, kommt es im Anschluss zum Total Chaos. Das dürfte früher nicht so schlimm gewesen sein, denke ich?
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Re: AFTN Flugfernmeldedienst

Ungelesener Beitragvon fdb_1974 » Mi 28. Mai 2025, 08:50

Da stimme ich mit Dir völlig überein....

Die Krux bei der Sache ist zusätzlich noch die Ausbildung und der Wissensstand z.B. der Techniker.
Bei der BFS dauerte die Ausbildung im gehobenen techn. Dienst 3 Jahre, im mittleren techn. Dienst 18 Monate. Danach hatten die Leute einen richtig guten Überblick über das Gesamtsystem und wie alles miteinander arbeitet, funktioniert und vernetzt ist.
Nach der Privatsierung änderte sich das alles. Die klassische Ausbildung gab es nicht mehr, es wurden fachfremde Leute eingestellt, die zu Beginn einen Einweisungskurs von 3 - 6 Wochen bekamen, meist nur für den speziell kleinen Bereich, in dem sie später eingesetzt werden sollten.
Wenn es dann z.B. im Bereich abc in EDDM Probleme gab hatten die Leute keine Ahnung, wie sich das auf den Bereich xyz in EDDH auswirkte ...
Tja Privatisierung halt .... >boes< >boes<
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Re: AFTN Flugfernmeldedienst

Ungelesener Beitragvon EA-Henning » Mi 28. Mai 2025, 11:56

Ebend. Streckenweise extrem effizient. Aber eben auch extrem effizient.
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