Tiertransport aus Nordamerika
Verfasst: Mo 9. Sep 2013, 15:32
An dieser Stelle möchte ich über die Ankunft eines Tiertransportes aus Nordamerika in Schönefeld berichten.
Zwar habe ich keinen fachlichen Bezug zur Fliegerei, bin von Beruf Agraringenieur für Tierproduktion und z.Z.ruhiggestellter Altersteilzeitler.
Ich denke aber, dass dieser Bericht, wenn auch nicht fachlich korrekt formuliert, den einen oder anderen hier im Forum interessieren könnte. Angaben, bei denen ich mir unsicher bin sind mit ? gekennzeichnet. Möglicherweise kann sich von den Usern sogar jemand an diesen Transport erinnern.
Am 26.8.1978, dem Tag, an dem Sigmund Jähn die DDR (besser UdSSR) gen Himmel verlassen hatte, reisten via Himmel 126(?) Holstein-Frisianjungrinder und 20 Eber (Hampshire und Duroc) aus Kanada oder USA in die DDR ein. Diese Tiere wurden für dringende Neuzüchtungsaufgaben benötigt. (Interessenten googeln bitte nach „SMR der DDR“ und „Schwerfurter Fleischrasse“)
Per W50 ging es von Nordhausen nach Schönefeld, um dort 20 Eber aus Kanada (oder USA?) in der Mittagszeit in Empfang zu nehmen. Wir waren rechtzeitig vor Ort und mussten westlich des Empfangsgebäudes unseren LKW abstellen. Nun weiß ich nicht mehr genau, wo ich überall rumgekrochen bin. Jedenfalls landete ich bei Leuten, die wohl irgendwie den Flugverkehr überwachten. Von denen erfuhr ich, dass die Maschine noch nicht von Gander avisiert ist. Zu dieser Zeit wusste ich noch nicht, wo Gander liegt und welche Funktion es im Flugverkehr über den Atlantik hat. Also war Warten angesagt. Kollegen aus dem VEG Hertefeld waren auch vor Ort, um die Rinder in Empfang zu nehmen. In regelmäßigen Abständen habe ich in diesem o.g. Büro nachgefragt, ob denn die Maschine schon in Sicht ist. Man wusste von der Kiste nichts. Langsam wurde es dunkel. Neben vielen anderen Maschinen stieg dann auch eine Tu 134 in den Himmel, zu der uns Leute vom Flugplatz sagten, dass die den Armeegeneral Hoffmann nach Baikonur schafft, weil ein DDR-Mensch in den Kosmos aufgestiegen ist.
Irgendwann kam dann auch die Maschine mit den Tieren und wurde quasi vor dem Parkplatz, auf dem die LKW standen, geparkt. Die Kiste sah böse aus. Es war eine 4-motorige Turboprop mit abklappbarem Heck. Wie mir inzwischen von einem Fachmann mitgeteilt wurde, musste es sich um eine Canadair CL-44 handeln. Farblich hatte sie längsseits einen roten (oder es waren mehrere?) Streifen. Der komplette Name der Airline ist mir entfallen, sie kam aber aus Uruguay. Auf der linken Seite war das Höhenleitwerk mit Öl verkleistert. Es muss eine umgerüstete Passagiermaschine gewesen sein, denn sie hatte Fenster und die Befestigungsleisten für die Sitze waren auch zu erkennen. Unmittelbar hinter dem Cockpit war eine Sitzkombination für den Begleiter. Ansonsten war der Rumpf mit Gitterboxen unterteilt.
Ein LO von einer Abdeckerei fuhr auf das Flugfeld und dann kam die Anweisung, dass zuerst die Rinder über das Heck entladen werden. Unsere Eber sollten zuletzt raus, da sie hinter dem Cockpit liegen. Irgendwie bin ich auf das Flugfeld gekommen und die Gangway, die hinter dem Cockpit am Flieger stand, hochgestiegen. Es war ein Anblick des Grauens. Ich stand direkt vor den Ebern, von denen sich einige nicht mehr bewegten und die anderen pumpten nach Luft. Im Bereich der Rinder sah es nicht besser aus. Im Cockpit sah es aus wie auf einem Traktor, es fehlte nur der Hammer neben dem Pilotensitz. Inzwischen hat Interflug einiges an Technik angefahren. So konnte ich veranlassen, dass ein flexibler Schlauch zur Belüftung in den Bereich der Eber gelegt wurde und irgendwie kam ich an Wasser, dass ich über die noch Lebenden gießen konnte, damit sich der Kreislauf beruhigt. Ein Tierarzt aus Hertefeld gab mir dann auch noch ein Medikament, dass ich den Überlebenden zur Kreislaufstabilisierung gespritzt habe. Die Entladung der 126(?) Rinder im Alter von ca. 3 bis 6 Monaten ging sehr schleppend, da hier auch etwa die Hälfte tot war. Die Tierärzte von der Veterinärverkehrsüberwachung waren völlig überfordert. Eine junge Tierärztin rannte weinend und konzeptlos durch die Gegend. Zusätzliche Tierleichenwagen mussten angefordert werden. Nach der Erstversorgung der Eber bin ich zu dem Posten am Schlagbaum und sagte ihm, dass wir schnellsten die Eber aus dem Flieger holen müssten. Der wiederum sagte, dass das nicht geht, weil immer nur ein LKW auf dem Flugplatz stehen darf. In dem Fall einer für die Rinder. Daraufhin bin ich zu meinem Kollegen. "Horst, wirf den Motor an! Ich drücke den Schlagbaum hoch und donnerst durch. Egal was dann kommt." Horst fuhr an und ich habe den Schlagbaum geöffnet (ob elektrisch oder hochgedrückt?). Der Posten machte zwar ein wahsinniges Spektakel, aber wir standen neben dem Flieger. Mit den Interflugleuten war schnell geklärt, dass die Gangway fort kam und dafür eine Hebebühne an den Flieger gestellt wurde. Die 10 noch lebenden Eber waren dann schnell verladen. In dem ganzen Wirrwar habe ich mir aber vorab schon die Begleitpapiere besorgt. Dann ging es rasant nach Hause. Unterwegs an einer Raststätte konnte ich die Eber nochmal mit Wasser begiessen und mit der aufgehenden Sonne kamen wir wieder in Nordhausen an.
Sollten sich Fragen ergeben, werde ich versuchen, die korrekt zu beantworten.
Zwar habe ich keinen fachlichen Bezug zur Fliegerei, bin von Beruf Agraringenieur für Tierproduktion und z.Z.ruhiggestellter Altersteilzeitler.
Ich denke aber, dass dieser Bericht, wenn auch nicht fachlich korrekt formuliert, den einen oder anderen hier im Forum interessieren könnte. Angaben, bei denen ich mir unsicher bin sind mit ? gekennzeichnet. Möglicherweise kann sich von den Usern sogar jemand an diesen Transport erinnern.
Am 26.8.1978, dem Tag, an dem Sigmund Jähn die DDR (besser UdSSR) gen Himmel verlassen hatte, reisten via Himmel 126(?) Holstein-Frisianjungrinder und 20 Eber (Hampshire und Duroc) aus Kanada oder USA in die DDR ein. Diese Tiere wurden für dringende Neuzüchtungsaufgaben benötigt. (Interessenten googeln bitte nach „SMR der DDR“ und „Schwerfurter Fleischrasse“)
Per W50 ging es von Nordhausen nach Schönefeld, um dort 20 Eber aus Kanada (oder USA?) in der Mittagszeit in Empfang zu nehmen. Wir waren rechtzeitig vor Ort und mussten westlich des Empfangsgebäudes unseren LKW abstellen. Nun weiß ich nicht mehr genau, wo ich überall rumgekrochen bin. Jedenfalls landete ich bei Leuten, die wohl irgendwie den Flugverkehr überwachten. Von denen erfuhr ich, dass die Maschine noch nicht von Gander avisiert ist. Zu dieser Zeit wusste ich noch nicht, wo Gander liegt und welche Funktion es im Flugverkehr über den Atlantik hat. Also war Warten angesagt. Kollegen aus dem VEG Hertefeld waren auch vor Ort, um die Rinder in Empfang zu nehmen. In regelmäßigen Abständen habe ich in diesem o.g. Büro nachgefragt, ob denn die Maschine schon in Sicht ist. Man wusste von der Kiste nichts. Langsam wurde es dunkel. Neben vielen anderen Maschinen stieg dann auch eine Tu 134 in den Himmel, zu der uns Leute vom Flugplatz sagten, dass die den Armeegeneral Hoffmann nach Baikonur schafft, weil ein DDR-Mensch in den Kosmos aufgestiegen ist.
Irgendwann kam dann auch die Maschine mit den Tieren und wurde quasi vor dem Parkplatz, auf dem die LKW standen, geparkt. Die Kiste sah böse aus. Es war eine 4-motorige Turboprop mit abklappbarem Heck. Wie mir inzwischen von einem Fachmann mitgeteilt wurde, musste es sich um eine Canadair CL-44 handeln. Farblich hatte sie längsseits einen roten (oder es waren mehrere?) Streifen. Der komplette Name der Airline ist mir entfallen, sie kam aber aus Uruguay. Auf der linken Seite war das Höhenleitwerk mit Öl verkleistert. Es muss eine umgerüstete Passagiermaschine gewesen sein, denn sie hatte Fenster und die Befestigungsleisten für die Sitze waren auch zu erkennen. Unmittelbar hinter dem Cockpit war eine Sitzkombination für den Begleiter. Ansonsten war der Rumpf mit Gitterboxen unterteilt.
Ein LO von einer Abdeckerei fuhr auf das Flugfeld und dann kam die Anweisung, dass zuerst die Rinder über das Heck entladen werden. Unsere Eber sollten zuletzt raus, da sie hinter dem Cockpit liegen. Irgendwie bin ich auf das Flugfeld gekommen und die Gangway, die hinter dem Cockpit am Flieger stand, hochgestiegen. Es war ein Anblick des Grauens. Ich stand direkt vor den Ebern, von denen sich einige nicht mehr bewegten und die anderen pumpten nach Luft. Im Bereich der Rinder sah es nicht besser aus. Im Cockpit sah es aus wie auf einem Traktor, es fehlte nur der Hammer neben dem Pilotensitz. Inzwischen hat Interflug einiges an Technik angefahren. So konnte ich veranlassen, dass ein flexibler Schlauch zur Belüftung in den Bereich der Eber gelegt wurde und irgendwie kam ich an Wasser, dass ich über die noch Lebenden gießen konnte, damit sich der Kreislauf beruhigt. Ein Tierarzt aus Hertefeld gab mir dann auch noch ein Medikament, dass ich den Überlebenden zur Kreislaufstabilisierung gespritzt habe. Die Entladung der 126(?) Rinder im Alter von ca. 3 bis 6 Monaten ging sehr schleppend, da hier auch etwa die Hälfte tot war. Die Tierärzte von der Veterinärverkehrsüberwachung waren völlig überfordert. Eine junge Tierärztin rannte weinend und konzeptlos durch die Gegend. Zusätzliche Tierleichenwagen mussten angefordert werden. Nach der Erstversorgung der Eber bin ich zu dem Posten am Schlagbaum und sagte ihm, dass wir schnellsten die Eber aus dem Flieger holen müssten. Der wiederum sagte, dass das nicht geht, weil immer nur ein LKW auf dem Flugplatz stehen darf. In dem Fall einer für die Rinder. Daraufhin bin ich zu meinem Kollegen. "Horst, wirf den Motor an! Ich drücke den Schlagbaum hoch und donnerst durch. Egal was dann kommt." Horst fuhr an und ich habe den Schlagbaum geöffnet (ob elektrisch oder hochgedrückt?). Der Posten machte zwar ein wahsinniges Spektakel, aber wir standen neben dem Flieger. Mit den Interflugleuten war schnell geklärt, dass die Gangway fort kam und dafür eine Hebebühne an den Flieger gestellt wurde. Die 10 noch lebenden Eber waren dann schnell verladen. In dem ganzen Wirrwar habe ich mir aber vorab schon die Begleitpapiere besorgt. Dann ging es rasant nach Hause. Unterwegs an einer Raststätte konnte ich die Eber nochmal mit Wasser begiessen und mit der aufgehenden Sonne kamen wir wieder in Nordhausen an.
Sollten sich Fragen ergeben, werde ich versuchen, die korrekt zu beantworten.