Leider ist dieses Phänomen der menschlichen Psyche nicht nur ein unheilbares Problem der Medien. So leidet auch die Qualität vieler Wikipedia-Artikel darunter. Bei der Beschreibung von Flugzeugtypen, Fluggesellschaften und Flughäfen wird der Auflistung und Beschreibung der dazugehörigen Abstürze breitester Raum geschenkt. Manchmal werden aufgrund der ungebremsten Gier nach Beinahzwischenfällen auch absolut nichtige Pannen oder gemeldete Staffelungsunterschreitungen im Umkreis von 50 km dokumentiert. Zu den eigentlich wichtigen Details des Flugzeuges oder des Flugplatzes erfährt man jedoch unter Umständen sehr wenig.
Dieser Artikel aus der deutschen Wikipedia illustriert das Problem wohl recht anschaulich.
Natürlich bekommt auch jeder dieser Vorfälle seinen ganz und gar eigenen Wikipedia-Artikel, wobei als Bezeichnung des Artikels (Lemma) zwingend die Flugnummer benutzt werden muß. Es scheint niemanden zu stören, daß dann aus dem unsinnigen Lemma regelmässig nicht ersichtlich wird, daß es sich um die Beschreibung eines Flugunfalls handelt. (Bei Zugunfällen käme kein Wikipedianer auf die Idee, die Zugnummer zum Titel zu erheben.)
Oftmals wird wirklich jedes noch so unbedeutende Detail des Absturzes in den Text eingearbeitet (z.B. Name, Alter, Familienstand von Beteiligten). Sogar die Teilnehmer der anschließenden Trauerfeierlichkeiten werden sehr gern lexikalisch verewigt. Manchmal erfährt man auch, welche wichtige Persönlichkeit zusätzliche Bedeutsamkeit erlangt hat, indem sie sich 15 Minuten vorher nur 2 km vom Unfallort entfernt aufgehalten hat.
Wikipedia-Autoren, die diese nutzlosen "Nachkommastellen" aus dem Text entfernen wollen, müssen sich häufig umfangreich rechtfertigen.
Die sachliche Richtigkeit der gebotenen Information zu gewährleisten, wäre eigentlich viel wichtiger, als immer mehr nutzlose Details zu ergänzen. Beispielsweise enthält der deutschsprachige INTERFLUG-Artikel die sehr fehlerhafte Beschreibung eines für das Thema INTERFLUG kaum relevanten Zwischenfalls. Auffallend ist hier die Verwendung einer sachlich richtigen Quelle, die aber falsch verstanden und falsch übersetzt in den Artikel eingearbeitet wurde. Der Vorgang ist daher völlig falsch und für den Leser auch völlig unverständlich dargestellt.
Obwohl ich das Wikipedia-Konzept großartig finde, bin ich zu der Ansicht gelangt, daß Wikipedia ein ernsthaftes Qualitäts-Problem hat. Daran können die zahlreich vorhandenen hochklassigen Artikel leider nichts ändern. Wenn ich einem Wikipedia-Artikel nicht trauen kann, wie soll ich dann den anderen Artikeln trauen. Es kann doch niemand erwarten, daß ich den Inhalt der Artikel immer erst noch einmal selbst auf sachliche Richtigkeit überprüfe. Vielerorts (z.B. an Universitäten) wird Wikipedia als Quelle nicht akzeptiert. Inzwischen verstehe ich auch warum.
Eine Möglichkeit das Problem zu lösen, wäre die Einführung von minimalen Qualifikationsstandards für die Autoren. Ob das funktioniert, weiß ich jedoch auch nicht. Jetzt kann ja wirklich jeder jeden Artikel editieren und nach seinem Gutdünken verändern. Das ist Chaos.
Die Selbstorganisation bei Wikipedia greift ja erst, nachdem der Müll seinen Weg schon in den Artikel gefunden hat. Lediglich offensichtlicher Vandalismus kann noch vorher abgefangen werden.
Wikipedia ist sehr populär, aber auch eine sehr unsichere Quelle.
Daher glaube ich, daß Buchautoren und Betreiber privater Websiten eine besondere Verantwortung zukommt, indem sie möglichst korrekt und fundiert zu einem Thema schreiben. Das ist wahrscheinlich der Platz, wo man es besser machen kann. Außerdem werden Bücher und Websites als Quellen für Wikipedia benutzt. Daher muß primär die Quelle sachlich richtig sein.
Wikipedia und die Absturzgeilheit
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Wikipedia und die Absturzgeilheit
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Thomas
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Re: Wikipedia und die Absturzgeilheit
Ich glaube, die Aufmerksamkeit zu derartigen Ereignissen abseits des "normalen" Lebens ist total menschlich und auch meines Erachtens nicht schlimm. Allerdings werden zu oft zu schnell Vermutungen zu Fakten gemacht. Das darf nicht sein. In einem Werk, wie etwa Wikipedia, muss man erwarten dürfen, das Leute mit einem fundiertem Hintergrundwissen Artiekl verfassen und zudem aus verlässlichen Quellen zitieren.
Ich meine, das Wikipedia in der Zukunft anders aussieht. Nicht auf den ersten Blick, aber auf den zweiten. Immer mehr Foren, ich kenne eines zum DDR-Konzern RFT, erstellen eigene fachliche "Wikis". Man könnte sich vorstellen, wenn das Schule macht, könnte man sich das originale Wikipedia als oberste Instanz einer Wikisammlung vorstellen.
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Re: Wikipedia und die Absturzgeilheit
Ein leider typisches Problem unserer "Informationswelt". Egal bei welcher Quelle, das tritt stärker oder weniger stark in Erscheinung. "Sensationen" und Vorfälle außerhalb des Haupthemas dominieren zu häufig die Gesamtinformation. Gegen diese Tendez ist leider kein Kraut gewachsen.
Volker
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Re: Wikipedia und die Absturzgeilheit
Zudem lenkt es von wirklich Wichtigem ab. Manchmal sehr Vorteilhaft..........
Man denke mal an die letzte Fussball-WM zurück.
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Re: Wikipedia und die Absturzgeilheit
EDGE-Henning hat geschrieben:Ich glaube, die Aufmerksamkeit zu derartigen Ereignissen abseits des "normalen" Lebens ist total menschlich und auch meines Erachtens nicht schlimm.
...
Was ich da als "Absturzgeilheit" bezeichnet habe, ist am Biertisch ganz ok, in einem öffentlichen Internet-Forum je nach Stil noch akzeptabel oder schon geschmacklos, aber in eine Enzyklopädie gehört das einfach nicht hinein. Es gibt zudem bereits mehrere seriöse Datenbanken zu Flugunfällen im Internet.
Während ich zwar immer serviert bekomme, wo sich ein bestimmter Flugzeugtyp in welchem Winkel in die Erde gebohrt hat oder trotz verklemmter Mikrofontaste sicher(!!!) gelandet ist, so erfahre ich meistens nicht, ob das Flugzeug beispielsweise einen Autopiloten hat. Auf diesem Gebiet sind die katastrophenverliebten Autoren entweder schwach oder sie halten die Beschreibung der Eigenschaften des Flugzeuges im unabgestürzten Zustand für nicht ganz so wichtig.
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Thomas
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Re: Wikipedia und die Absturzgeilheit
Allerdings muss man hinzufügen, das die Medaille immer zwei Seiten hat.
Ich sehe das an meiner "Arbeit" im Internet. Allerdings kann ich sagen, das ich eben bestimmte Dinge wie etwa Typenseiten nicht mehr, oder aber in stark reduzierter Form mache. Ein Redakteur in einer Zeitung kann das nicht, sofern er seinen Arbeitsplatz behalten will.
Was ich damit sagen will, ist, die Zeitung muss morgen Früh beim Kunden liegen. Wenn ich aber den Artikel nicht bringe, bringt sie jemand anderes. Zudem ist es oft schwierig, Informationen zu erhalten. Auch mir ging es oft so, das ich dann etwas vermeintlich richtiges geschrieben habe, aber anschliessend werde ich auf meinen Fehler aufmerksam gemacht. Auch das ist nicht unbedingt schlimm, wenn es nicht von Leuten kommen würde, die ich zuvor zu diesem Sachgebiet befragt habe.
Ich glaube, es liegt eher an unserer Gesellschaft. man will Dienstleistungen, Waren und Informationen gleich und sofort. Und das geht immer zu lasten der Qualität.
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Was ich damit sagen will, ist, die Zeitung muss morgen Früh beim Kunden liegen. Wenn ich aber den Artikel nicht bringe, bringt sie jemand anderes. Zudem ist es oft schwierig, Informationen zu erhalten. Auch mir ging es oft so, das ich dann etwas vermeintlich richtiges geschrieben habe, aber anschliessend werde ich auf meinen Fehler aufmerksam gemacht. Auch das ist nicht unbedingt schlimm, wenn es nicht von Leuten kommen würde, die ich zuvor zu diesem Sachgebiet befragt habe.
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Re: Wikipedia und die Absturzgeilheit
Zeitungen sind ein ganz anderes Gebiet.
Hier geht es mir um die inhaltliche Qualität einer Enzyklopädie für die Allgemeinheit. Ein Lexikon, auch ein ganz dickes, darf nicht unkritisch mit Details aller Art zugemüllt werden. Quantität ersetzt niemals Qualität - höchstens bei Verschleißteilen.
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Re: Wikipedia und die Absturzgeilheit
Kilo Mike Sierra hat geschrieben:Zeitungen sind ein ganz anderes Gebiet.
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Da gebe ich Dir uneingeschränkt recht.
Aber, das betrifft nicht nur Lexika, sondern auch Lehrbücher. Ich hoffe im Falle öffentlich/freier Lexika wie Wikipedia auf die Entwicklung, wie ich sie weiter oben beschrieben habe.
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