Notlandung einer TU-154M mitten in der nördlichen Taiga

Einfach mal quatschen

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Sadowa
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Notlandung einer TU-154M mitten in der nördlichen Taiga

Ungelesener Beitragvon Sadowa » Mi 8. Sep 2010, 19:23

Zitat aus der NZZ:

Notlandung mitten in der Taiga
Russisches Passagierflugzeug übersteht einen Elektronik-Ausfall

Einem Wunder gleich kommt die Rettung, die 72 Passagiere und 9 Besatzungsmitglieder einer Tupolew-154 der russischen Fluggesellschaft Alrosa auf dem Weg von Poljarni in Jakutien im Norden Sibiriens nach Moskau erfahren haben. Wie russische Medien berichteten und die Untersuchungsbehörden vorläufig bestätigten, erlitt die Bordelektronik nach vier von sechs Flugstunden praktisch einen Totalausfall. Die Bordinstrumente, die Navigation und die Funkverbindung versagten den Dienst; das Steuerungssystem wurde beschädigt.

...

Daraufhin erspähte die vierköpfige Cockpit-Besatzung dank guten Wetterverhältnissen zufällig eine Landepiste mitten im Wald, auf der sie nach mehrmaligem Kreisen schliesslich die Notlandung unter Extrembedingungen ausführte – auf Sicht, ohne Instrumente und mit überhöhter Geschwindigkeit, weil die Steuerung der Landeklappen ebenfalls nicht mehr funktionierte. Überdies war das Flugfeld der kleinen Ortschaft Ischma in der Teilrepublik Komi seit Jahren ausser Betrieb und mit 1400 Metern Länge zu kurz, da es ursprünglich höchstens für kleinere Flugzeuge der Typen Antonow-24 oder Jakowlew-40 gebaut worden war. Die Tupolew-154 schoss deshalb rund 200 Meter über das holprige Pistenende hinaus in den Wald und kam erst auf sumpfigem Grund zu stehen.

....

http://www.nzz.ch/nachrichten/panorama/ ... 91761.html

Zitat ende.

http://www.avherald.com/h?article=430a1d01&opt=0
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Stölln89
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Re: Notlandung einer TU-154M mitten in der nörlichen Taiga

Ungelesener Beitragvon Stölln89 » Mi 8. Sep 2010, 21:08

Wieder einmal eine Meisterleistung gut ausgebildeter Piloten. Keiner groß zu schaden (außer Schock) gekommen, so etwas ließt man gern.
Wie zeichnet man diese Piloten denn jetzt aus ? Den Titel "Held der Sowjetunion" werden Sie aber nicht mehr bekommen, oder ? :shock:

Gruß Marco
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Flieger Bernd
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Re: Notlandung einer TU-154M mitten in der nördlichen Taiga

Ungelesener Beitragvon Flieger Bernd » Mi 8. Sep 2010, 21:53

http://www.aktuell.ru/russland/panorama ... _3098.html

„Ich würde dem Chefpiloten den Orden Held Russlands verleihen für das, was er getan hat“, erklärte der Leiter des Kreises Ischemski Pjtor Ditjatjew nach der Rettungsaktion.

na bitte, geht doch
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Kilo Mike Sierra
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Re: Notlandung einer TU-154M mitten in der nördlichen Taiga

Ungelesener Beitragvon Kilo Mike Sierra » Do 9. Sep 2010, 11:46

Ja, den Orden bekommt natürlich der Chefpilot.

Wenn eine Tu-154 einen kompletten Stromausfall erleidet. wird wenig später der Treibstoff knapp, da die elektrischen Pumpen kein Kerosin von den Flügeltanks in den zentralen Tank transferieren können. Die Heck-Triebwerke werden ausschließlich durch diesen Tank gespeist. Das erklärt den schnellen Abstieg aus der Reiseflughöhe und die umgehende Landung.

Wenn wirklich alle Instrumente ausgefallen sind, so dürfte es sehr schwierig und gefährlich gewesen sein, durch die Wolkendecke zu sinken, um Bodensicht zu bekommen. In diesem Fall möchte ich ein besonders anerkennendes "Hut ab" aussprechen.

Der Flughafen Ischma (UUYV) ist nicht außer Betrieb, nur seine Landebahn gilt offiziell als stillgelegt, da er nur noch von Hubschraubern genutzt wird.
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Re: Notlandung einer TU-154M mitten in der nördlichen Taiga

Ungelesener Beitragvon Kilo Mike Sierra » Mo 31. Mai 2021, 22:09

Der Leiter des 2003 zum Hubschrauber-Landeplatz zurückgestuften Flughafens von Ischma, Sergej Michailowitsch Sotnikow, gilt seit der erfolgreichen Notlandung in der Taiga als der Schutzengel der Insassen dieses Flugzeuges.
Er konnte sich damals nicht damit abfinden, daß nie wieder Flugzeuge wie An-24 oder Jak-40 in Ischma landen sollten. Daher hielt er sieben Jahre lang die 1.325 m lange Start- und Landebahn des ehemaligen Flughafens frei von illegalen Gerümpelablagerungen und entfernte auch immer wieder den Bewuchs, der zwischen den Betonfugen hervorsproß. Sein Ziel war es, die Wiederinbetriebnahme der Piste jederzeit zu ermöglichen. Es sollte den staatlichen Stellen möglichst leicht fallen, die Piste ohne großen Aufwand wiederzueröffnen. Er wurde von den meisten Anwohnern belächelt, weil dies nicht zu seinen Aufgaben gehörte und völlig sinnlos erschien.

Bis dann der 7. September 2010 kam.
Die Besatzung der Tu-154M suchte über der Taiga verzweifelt einen Platz für eine Notlandung, konnte aber keine geeignete Fläche in den ausgedehnten Wäldern finden. Dann entschloß man sich, das Risiko einer Bauchlandung im Fluß Ischma einzugehen, da man keine andere Option mehr sah. Beim Positionieren des Flugzeuges für die Notwasserung entdeckten die Piloten plötzlich die seit Jahren nicht mehr in den Karten verzeichnete Betonpiste im Wald. Sie führten zwei Überflüge durch, um die Länge der Piste abzuschätzen und sie auf Hindernisfreiheit zu prüfen. Beim dritten Anflug wurde gelandet, allerdings mit einer Landegeschwindigkeit die ca. 100 km/h höher war als üblich, da sich Landeklappen und Vorflügel nicht ausfahren ließen. Am Ende fehlten 164 m, so daß das Flugzeug über die Landebahn hinausrollte - nicht "hinauschoss" oder "raste" wie vielerorts zu lesen war (u.a. bei Wikipedia).

Nachdem die Besatzung des Flugzeuges im Oktober 2010 vom russischen Präsidenten ausgezeichnet worden war, erhielt Herr Sotnikow mit etwas Verspätung im Februar 2012 den Vaterländischen Verdienstorden II. Grades.
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Re: Notlandung einer TU-154M mitten in der nördlichen Taiga

Ungelesener Beitragvon Kilo Mike Sierra » Di 1. Jun 2021, 08:44

Wobei die Geschichte damit noch nicht zu Ende ist ...
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Re: Notlandung einer TU-154M mitten in der nördlichen Taiga

Ungelesener Beitragvon bluemchen » Mi 2. Jun 2021, 20:58

... das hoffe ich wohl auch

und nach der jüngsten Initiative, wieder regionale Landeplätze aus der Stillgelegtheit zu aktivieren, ist zumindest aus der Ferne vorstellbar, das Ischma auch davon profitiert - wenn es schon prominent ist
>grins< R.
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Re: Notlandung einer TU-154M mitten in der nördlichen Taiga

Ungelesener Beitragvon bluemchen » Do 30. Dez 2021, 21:08

Es bleibt doch interessant: Zum 07. September 2010 lesen wir noch einmal zur RA-85684 in der "Flugrevue" https://www.flugrevue.de/zivil/alrosa-f ... a-tu-154m/

ALROSA-FLUG 514
Husarenstück in Russlands Taiga

Auch mit der Recherche zum weiteren Lebenslauf der Maschine bis zum ehrenvollen Dienstende: "Am 29. September 2018 schließlich tritt die RA-85684 ihre letzte Reise ins Museum nach Nowosibirsk an – standesgemäß natürlich wieder auf dem Luftweg". >sup<

Eigentlich auch eine schöne Weihnachtsgeschichte zum Weitererzählen ... und das mit dem "Pilzesammeln nach geglücktem Husarenstück" glauben wir mal einfach
R.
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Re: Notlandung einer TU-154M mitten in der nördlichen Taiga

Ungelesener Beitragvon E-Spez » Fr 31. Dez 2021, 16:40

Kilo Mike Sierra hat geschrieben:Ja, den Orden bekommt natürlich der Chefpilot.

Wenn eine Tu-154 einen kompletten Stromausfall erleidet. wird wenig später der Treibstoff knapp, da die elektrischen Pumpen kein Kerosin von den Flügeltanks in den zentralen Tank transferieren können. Die Heck-Triebwerke werden ausschließlich durch diesen Tank gespeist. Das erklärt den schnellen Abstieg aus der Reiseflughöhe und die umgehende Landung.

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Die 154 hat eine 3 Insel stromversorgung. Jeder Generator eines Triebwerkes beliefert ein Netz. Wobei diese Netze zusammengeschaltet sind. Die Hauptspannung an Bord ist 208volt/400 H. Sobald ein Generator ausfällt ubernehmen die verbleibenden Generatoren die Versorgung der Anlagen mit Strom.Und wenn alle Generatoren ausfallen,gibt es als Notversorgung noch 4 Nickel-Kadnium Akkus mit jeweils 20 Zellen,verbaut im 1 und 3 Technichen Raum. 28 volt Gleichstrom . Und die Notfallanzeigen sind dafür ausgelegt. Und wenn alles nicht mehr geht,gibt es noch den guten alten magnetischen Kompass :-)
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Der Kohleausstieg der Grünen war erfolgreich,der Bürger hat keine Kohle mehr

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Re: Notlandung einer TU-154M mitten in der nördlichen Taiga

Ungelesener Beitragvon Kilo Mike Sierra » So 29. Jan 2023, 10:33

Hier die "Rückkehr an den Himmel" der Alrosa Tu-154M nach erfolgter Reparatur in Ischma.



Die Vorbereitungen für den Wiederstart waren sehr aufwendig, wie die beiden folgenden Videos zeigen. Allein das Wenden auf der schmalen schneebedeckten Startbahn war ein Manöver, das Hilfestellung von außen erforderte. Auch die Enteisung des Flugzeuges muß man gesehen haben.


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