Der Anti-Boeing-Artikel des Focus erfüllt die heutigen journalistischen Standards. Nichts genaues wissen, dieses fehlende Wissen aber fertig einordnen, so daß sich der Leser keine eigene Meinung mehr bilden muß. Warum beläßt man es nicht bei der Wiedergabe der gesicherten Fakten?
Irgendein deutsches Nachrichtenmagazin hatte doch vor Jahren mit dem Spruch "Fakten! Fakten! Fakten!" Fernsehwerbung gemacht.
Kleine Kostprobe:
... deutet alles darauf hin, daß ...
... ist offenbar ...
... es deutet viel darauf hin, daß ...
... womöglich sorgte Boeing dafür, dass diese Mängel mehr oder weniger ignoriert wurden ...
... scheinen ...
Außerdem wird wieder der Längsneigungswinkel mit dem Anstellwinkel verwechselt, aber das halte ich bei Nicht-Fachjournalisten für verzeihlich.
Allerdings konsultiert man aus unerfindlichen Gründen keine Fachleute, sondern verläßt sich auf das Orakel einer Anlageberatungsfirma und druckt deren spekulatives Geschwätz ab.
Das Programm wurde aus der Panik heraus geboren. Boeing hatte vor allem Angst davor, seinen größten und wichtigsten Kunden zu verlieren.
Ja, Boeing in Panik - ganz bestimmt. Zur Zeit mag das zutreffen, aber nicht beim Programmstart der 737 MAX.
Daß man dann sogar mit Airbus kommt, die angeblich nicht solche "Anfängerfehler" (Zitat Focus) wie Boeing machen, darauf habe ich schon gewartet.
Das läßt sich leicht widerlegen. Dazu genügt es schon, den als positives Gegenbeispiel aufgeführten A320 zu betrachten, aber auch die Modelle A300/A310 und A330/A340. Gerade die letztgenannten Modelle hatten ganz ähnlich gelagerte Probleme mit der automatischen Trimmung.
Wobei ich auch Airbus nicht unterstelle, daß diese Probleme durch Anfängerfehler verursacht worden sind.
Die strafrechtliche Untersuchung des Zulassungsverfahrens der 737 MAX wurde nicht erst jetzt, sondern bereits kurz nach dem ersten Unfall (Lion Air) in Gang gesetzt. Ob die Beteiligten geahnt haben, daß ihnen die Zeit davonläuft?
Zum Schluß noch ein Rückblick auf den Unfall der Concorde bei Paris. Danach wurde der Concorde das Lufttüchtigkeitszertifikat umgehend entzogen. Die einleuchtende Begründung lautete damals: Ein Flugzeugtyp, bei dem das Versagen einer einzelnen redundanten Komponente (Reifen des Hauptfahrwerks) zur Katastrophe führen kann, ist nicht verkehrssicher.
Mit Blick auf die 737 MAX hätte ihr bei Anwendung der gleichen Logik das Zertifikat unmittelbar nach dem Unfall der Lion Air entzogen werden müssen.
Mir ist diese Sicht auf die Dinge aber auch erst jetzt (wo es zu spät ist) in den Sinn gekommen.
Laut Darstellung des Fachmagazins Flight International, war es Präsident Donald Trump, der durch den Erlass einer Executive Order die FAA "par ordre du Mufti" aus ihrer Starre aufgeweckt hat. Er war also nicht nur der Verkünder eines gemeinschaftlich und einvernehmlich gefaßten Entschlusses. Zuvor war er von verschieden Seiten kontaktiert worden, weil wohl doch manche das herannahende Desaster (MCAS erneut beteiligt) geahnt haben.
Zum MCAS schreibe ich demnächst noch etwas.