Buchvorstellung "Start ins Düsenzeitalter" von Holger Lorenz
Verfasst: Mi 5. Nov 2008, 20:42
Ich habe gerade das Buch "Start ins Düsenzeitalter" gelesen. Es ist das dritte von Holge Lorenz vorgelegte Buch, nach den Titeln "Der Passagier-Jet 152" und "Kennzeichen Junkers". Dieses Buch erzählt die aufregende Geschichte der Entwicklung ziviler Düsenverkehrsflugzeuge und widmet sich dabei besonders der britischen De Havilland DH.106 Comet. Besonders interessant ist die vergleichende Darstellung der ökonomischen Flugleistungsparameter der Comet sowie ihrer internationalen Konkurrenz: Boeing 707, DC-8, Caravelle, Tu-104, HFB-314 und der 152 aus Dresden. Darüber hinaus werden aber auch Kolbenmotor- und PTL-Flugzeuge verglichen, so daß u.a. auch die Il-14P und die 153A eingeordnet werden können.
Diese nicht vom Verfasser, sondern damals im den Flugzeugwerken Dresden angestellten Vergleiche basieren auf einem beim DDR-Flugzeugbau entwickelten, mathematischen Bewertungsverfahren und erlauben eine objektive Analyse der Entwurfsqualität und Wirtschaftlichkeit jedes einzelnen Flugzeugmusters unter realen Einsatzbedingungen.
Ich war allerdings ein wenig erstaunt, daß die Avro Canada C102 Jetliner in dem Buch zu diesem Thema keinerlei Erwähnung findet. Dieser Passagierjet hatte so manche Gemeinsamkeit mit der 152 (u.a. die Kombigondel für jeweils zwei Triebwerke plus ein Hauptfahrwerk) und wurde ebenfalls durch einen politischen Entscheid "von oben" gestoppt und seine vollständige Zerstörung angeordnet.
Überflüssig erscheint mir das gelegentliche Einflechten von Hinweisen auf den Dialektischen Materialismus und seine Bedeutung im Flugzeugbau. Diese kleinen philosophischen Ausflüge stören jedoch nicht den Erzählfluß und seien dem Autor natürlich gestattet. Vielleicht hat er ja sogar Recht.
Das Layout der Druckseiten könnte jedoch noch verbessert werden. Manchmal sind es einfach zu viele Abbildungen auf einer Seite. Da der Autor jedes Foto und jede Zeichnung in lobenswerter Weise ausführlich kommentiert, geraten viele Abbildungen am Ende zwangsläufig zu klein - oder das gewählte Buchformat ist dem Inhalt nicht angemessen.
Die technischen und ökonomischen Herausforderungen bei der Entwicklung von Passagierflugzeugen werden von Holger Lorenz so spannend geschildert, daß es schwer fällt, das Buch vor Erreichen der letzten Seite aus der Hand zu legen. Diese Lektüre hat bei mir die Lust geweckt, Flugzeugbau zu studieren. (Ok, beim nächsten Mal.) Bücher mit solcher Wirkung sind wirklich selten.
Obwohl sich wohl niemand so intensiv wie Holger Lorenz mit der Geschichte, den erhaltenen Dokumenten und den Zeitzeugen des kurzen Kapitels DDR-Flugzeugbau beschäftigt hat, findet auch er keine endgültige Antwort auf die Frage nach der historisch korrekten Bezeichnung der in der DDR entwickelten Flugzeugtypen. Er kann sich offenbar selbst nicht entscheiden zwischen Ju 152, Junkers (DDR) 152, Dresden 152, EF-152 oder Dresden EF-152 (EF = Entwicklungsflugzeug). Dafür habe ich größtes Verständnis und finde auch den von ihn oftmals in den Vordergrund gerückten Junkers-Bezug gar nicht so abwegig oder übertrieben. Wir alle wissen, daß die damals benutzten Bezeichnungen wie 152 oder Typ 152 nur vorläufige interne Projektbezeichnungen gewesen sein können, die allerdings auch der Öffentlichkeit so präsentiert wurden.
Meine nachfolgenden Anmerkungen gelten für alle drei von Holger Lorenz im Eigenverlag publizierten Bücher.
Dem Autor ist es offenbar gelungen, Zugang zu umfangreichen Quellenmaterial aus erster Hand zu erhalten. Die Art und Weise wie er das Material aufbereitet und dem Leser darbietet ist außergewöhnlich. Sein Schreibstil erscheint geradezu atemlos und hat mich immer wieder an das Erzähltempo des in Berlin sicher immer noch sehr bekannten RIAS-Theaterkritikers Friedrich Luft erinnert. In diesen drei Büchern gibt es einfach keine Nebensätze. Jeder Satz ist prall gefüllt mit Information und scheinbar unverzichtbaren Fakten.
Die ausführlichen und durch Fettdruck hervorgehobenen Bildunterschriften dominieren gelegentlich den regulären Seitentext und es ist manchmal nicht erkennbar, in welcher Spalte der Text fortgesetzt wird. Dadurch wird der Lesefluß etwas beeinträchtigt.
Auch wenn sich nur das erste seiner Bücher primär mit der 152 und dem Flugzeugbau in der DDR beschäftigt, so sind die beiden anderen Bände dennoch jedem 152-Interessenten zu empfehlen. Auch in diesen Büchern findet der DDR-Flugzeugbau ausführliche Erwähnung und der Autor wartet jedesmal mit neuen interessanten Erkenntnissen dazu auf. So habe ich mit Erstaunen gelesen, daß das bis heute noch stärkste PTL-Triebwerk der Welt, das u.a. für die Tupolew Tu-114 eingesetzte NK-12 von Mitarbeitern des in die Sowjetunion "umgesiedelten" Junkers-Entwicklungsbetrieb entwickelt worden ist.
Holger Lorenz widmet in seinen Büchern dem geschichtlichen Kontext viel Raum und zeigt, welche technische und personelle Kontinuität zwischen den alten, noch von Hugo Junkers persönlich geleiteten Junkers-Werken, der Junkers SAG (sowjetische Aktiengesellschaft) und der späteren DDR-Luftfahrtindustrie bestand. Wir erfahren sogar von deren Fortwirkung in das westdeutsche Unternehmen Hamburger Flugzeugbau (HFB) bis hin zur Entwicklung des Airbus A300.
Wer sich für deutsche Luftfahrtgeschichte, speziell Junkers oder den DDR-Flugzeugbau interessiert, dem empfehle ich uneingeschränkt die Bücher von Holger Lorenz. Mehr Information gibt es auf der Website des Autoren http://www.flugzeug-lorenz.de.
Mit derartiger Intensität geschriebene Bücher sollte es noch viel mehr geben, auch zu anderen Themen...
Diese nicht vom Verfasser, sondern damals im den Flugzeugwerken Dresden angestellten Vergleiche basieren auf einem beim DDR-Flugzeugbau entwickelten, mathematischen Bewertungsverfahren und erlauben eine objektive Analyse der Entwurfsqualität und Wirtschaftlichkeit jedes einzelnen Flugzeugmusters unter realen Einsatzbedingungen.
Ich war allerdings ein wenig erstaunt, daß die Avro Canada C102 Jetliner in dem Buch zu diesem Thema keinerlei Erwähnung findet. Dieser Passagierjet hatte so manche Gemeinsamkeit mit der 152 (u.a. die Kombigondel für jeweils zwei Triebwerke plus ein Hauptfahrwerk) und wurde ebenfalls durch einen politischen Entscheid "von oben" gestoppt und seine vollständige Zerstörung angeordnet.
Überflüssig erscheint mir das gelegentliche Einflechten von Hinweisen auf den Dialektischen Materialismus und seine Bedeutung im Flugzeugbau. Diese kleinen philosophischen Ausflüge stören jedoch nicht den Erzählfluß und seien dem Autor natürlich gestattet. Vielleicht hat er ja sogar Recht.
Das Layout der Druckseiten könnte jedoch noch verbessert werden. Manchmal sind es einfach zu viele Abbildungen auf einer Seite. Da der Autor jedes Foto und jede Zeichnung in lobenswerter Weise ausführlich kommentiert, geraten viele Abbildungen am Ende zwangsläufig zu klein - oder das gewählte Buchformat ist dem Inhalt nicht angemessen.
Die technischen und ökonomischen Herausforderungen bei der Entwicklung von Passagierflugzeugen werden von Holger Lorenz so spannend geschildert, daß es schwer fällt, das Buch vor Erreichen der letzten Seite aus der Hand zu legen. Diese Lektüre hat bei mir die Lust geweckt, Flugzeugbau zu studieren. (Ok, beim nächsten Mal.) Bücher mit solcher Wirkung sind wirklich selten.
Obwohl sich wohl niemand so intensiv wie Holger Lorenz mit der Geschichte, den erhaltenen Dokumenten und den Zeitzeugen des kurzen Kapitels DDR-Flugzeugbau beschäftigt hat, findet auch er keine endgültige Antwort auf die Frage nach der historisch korrekten Bezeichnung der in der DDR entwickelten Flugzeugtypen. Er kann sich offenbar selbst nicht entscheiden zwischen Ju 152, Junkers (DDR) 152, Dresden 152, EF-152 oder Dresden EF-152 (EF = Entwicklungsflugzeug). Dafür habe ich größtes Verständnis und finde auch den von ihn oftmals in den Vordergrund gerückten Junkers-Bezug gar nicht so abwegig oder übertrieben. Wir alle wissen, daß die damals benutzten Bezeichnungen wie 152 oder Typ 152 nur vorläufige interne Projektbezeichnungen gewesen sein können, die allerdings auch der Öffentlichkeit so präsentiert wurden.
Meine nachfolgenden Anmerkungen gelten für alle drei von Holger Lorenz im Eigenverlag publizierten Bücher.
Dem Autor ist es offenbar gelungen, Zugang zu umfangreichen Quellenmaterial aus erster Hand zu erhalten. Die Art und Weise wie er das Material aufbereitet und dem Leser darbietet ist außergewöhnlich. Sein Schreibstil erscheint geradezu atemlos und hat mich immer wieder an das Erzähltempo des in Berlin sicher immer noch sehr bekannten RIAS-Theaterkritikers Friedrich Luft erinnert. In diesen drei Büchern gibt es einfach keine Nebensätze. Jeder Satz ist prall gefüllt mit Information und scheinbar unverzichtbaren Fakten.
Die ausführlichen und durch Fettdruck hervorgehobenen Bildunterschriften dominieren gelegentlich den regulären Seitentext und es ist manchmal nicht erkennbar, in welcher Spalte der Text fortgesetzt wird. Dadurch wird der Lesefluß etwas beeinträchtigt.
Auch wenn sich nur das erste seiner Bücher primär mit der 152 und dem Flugzeugbau in der DDR beschäftigt, so sind die beiden anderen Bände dennoch jedem 152-Interessenten zu empfehlen. Auch in diesen Büchern findet der DDR-Flugzeugbau ausführliche Erwähnung und der Autor wartet jedesmal mit neuen interessanten Erkenntnissen dazu auf. So habe ich mit Erstaunen gelesen, daß das bis heute noch stärkste PTL-Triebwerk der Welt, das u.a. für die Tupolew Tu-114 eingesetzte NK-12 von Mitarbeitern des in die Sowjetunion "umgesiedelten" Junkers-Entwicklungsbetrieb entwickelt worden ist.
Holger Lorenz widmet in seinen Büchern dem geschichtlichen Kontext viel Raum und zeigt, welche technische und personelle Kontinuität zwischen den alten, noch von Hugo Junkers persönlich geleiteten Junkers-Werken, der Junkers SAG (sowjetische Aktiengesellschaft) und der späteren DDR-Luftfahrtindustrie bestand. Wir erfahren sogar von deren Fortwirkung in das westdeutsche Unternehmen Hamburger Flugzeugbau (HFB) bis hin zur Entwicklung des Airbus A300.
Wer sich für deutsche Luftfahrtgeschichte, speziell Junkers oder den DDR-Flugzeugbau interessiert, dem empfehle ich uneingeschränkt die Bücher von Holger Lorenz. Mehr Information gibt es auf der Website des Autoren http://www.flugzeug-lorenz.de.
Mit derartiger Intensität geschriebene Bücher sollte es noch viel mehr geben, auch zu anderen Themen...