So unwichtig kann das Gerät ja nicht gewesen sein, denn Concorde, Beechjet 400A, Space Shuttle Orbiter sowie alle sowjetischen Verkehrsflugzeuge waren damit ausgestattet.
Nein, der Anstellwinkel (AoA - Angle of Attack) ist alles andere als unwichtig, sondern stellt einen der grundlegendsten Flugparameter dar. Sein momentaner Wert entscheidet darüber, ob ein Flugzeug überhaupt Auftrieb erzeugen kann - völlig gleich, welche Geschwindigkeit dabei anliegt.
Warum man Piloten diese Information vorenthält, hat mir noch keiner plausibel erklären können*.
Natürlich wird der Anstellwinkel bei den Verkehrsflugzeugen durch Sensoren (Alpha Vanes) gemessen und auch weiterverarbeitet, z.B. für die Überziehwarnung und die Berechnung der auf dem Primary Flight Display angezeigten Limits für den Längsneigungswinkel und die Geschwindigkeit. Der Pilot bekommt den eigentlichen Basisparameter jedoch nicht zu sehen. Er könnte sich den Anstellwinkel natürlich selbst ausrechnen, wenn er die Differenz aus dem Winkel der Längsneigung und dem Flugbahn-Winkel bildet (stimmt aber auch nur bei Windstille!), wobei er sich die letztere Information erst per Knopfdruck auf sein Display aufschalten muß. In einer extrem angespannten Situation kann man das jedoch kaum erwarten.
Was heute keiner mehr zu wissen scheint, die Installation von sogar zwei Anstellwinkel-Anzeigern war für die A330/A340 vorgesehen.
- Typ: MORS 4678-700-80-10
- Meßbereich von -5 bis +25 Grad
- Einbauorte: Paneele 313VU und 314VU, Zone 210
Das folgende Foto des A340-Prototypen F-WWAI zeigt, daß für die beiden analogen Anzeigegeräte tatsächlich ein Teil des so überaus wertvollen Platzes auf dem Main Instrument Panel reserviert worden war.
Der AoA Indicator, hier mit einem Meßbereich von -5 bis +35 Grad, befindet sich links oben neben den beiden Displays.

...und so werden die A330 und A340 an die Kunden ausgeliefert.
Die Einbauorte der Anstellwinkel-Anzeigegeräte bleiben einfach leer.

A330 cockpit by Fabio Pignata, on Flickr
*) Anhand der Geschwindigkeit kann man jedenfalls nicht eindeutig ableiten, ob ein Flugzeug sich im überzogen Flugzustand befindet oder nicht - obwohl es auch heute noch Generationen von Piloten so gelehrt bekommen. Sie bekommen auch eingetrichtert, man solle einen überzogen Flugzustand (Stall) mit möglichst geringem Höhenverlust ausleiten oder den Final Turn nicht überschießen (und dann wird lieber sehr eng gekurvt). Mit schönen Diagrammen wird ihnen auch suggeriert, die Abkipp- oder Überziehgeschwindigkeit würde beispielsweise bei einer Kurve mit 60 Grad Schräglage um 41 Prozent ansteigen (was leider nur unter "Laborbedingungen" zutrifft).
All das ist lange überholtes und u.U. lebensgefährliches "Wissen".