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Kilo Mike Sierra
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Re: Bruchlandung einer TU-204 in Moskau

Ungelesener Beitragvon Kilo Mike Sierra » So 30. Dez 2012, 19:32

Rexrsph2011 hat geschrieben:Das LBA führte in der Vergangenheit bei den Russen sehr viele Kontrollen durch, die Liste der Beanstandungen bei Red Wings soll nicht klein gewesen sein (deshalb auch der negative Bescheid)
...

Reichen die kurzen Ramp Checks (Augenschein und Prüfung der Papierlage) des LBA aus, um eine Fluggesellschaft auf den europäischen Index zu setzen?
Ich weiß es leider nicht.
Die deutschen Ramp Checks und die zugehörige "Task Force" wurden damals aus dem blinden Aktionismus nach dem Unfall der Birgen Air geboren. "Seht her. Wir tun 'was für die Flugsicherheit."

Rexrsph2011 hat geschrieben:...
In den Nachrichten wurden gerade die Bremsen als Ursache genannt...

Zwischen Nachricht und voreiliger Spekulationen wird in vielen Redaktionen nicht mehr unterschieden.
Jetzt, wo auf manchen Sendern bereits wieder alles klar ist, könnte die MAK ihre frisch einberufene Untersuchungskommission eigentlich wieder in den Jolka-Urlaub zurückschicken.

Hat man denn in bewährter flugunfalljournalistischer Tradition den Sprecher der Vereinigung Cockpit bereits gefragt?
Die wissen doch immer so gut Bescheid, wenn außerhalb Deutschlands etwas passiert.
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Thomas

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Re: Bruchlandung einer TU-204 in Moskau

Ungelesener Beitragvon Flieger Bernd » So 30. Dez 2012, 20:31

Kilo Mike Sierra hat geschrieben:...Hat man denn in bewährter flugunfalljournalistischer Tradition den Sprecher der Vereinigung Cockpit bereits gefragt?
Die wissen doch immer so gut Bescheid, wenn außerhalb Deutschlands etwas passiert.

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Re: Bruchlandung einer TU-204 in Moskau

Ungelesener Beitragvon Kilo Mike Sierra » Mi 2. Jan 2013, 11:48

Sogar die russischen Behörden spekulieren schon einen Tag nach dem Unfall öffentlich über die Unfallursache.
Während der eine Offizielle (Alexander Neradko) verkündet, eine erster Blick auf die Flugdaten deute auf das Versagen der Bremsen hin, sagt inoffiziell ein anderer Offizieller es seien die Bremsen oder(!) die Schubumkehr, die versagt hätten.
Eine einfachere Formulierung wäre gewesen "Wir wissen es noch nicht."

Wenn man der Presse derartiges vorsetzt, darf man sich über die Berichterstattung hinterher nicht beklagen.
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Re: Bruchlandung einer TU-204 in Moskau

Ungelesener Beitragvon EA-Henning » Mi 2. Jan 2013, 12:05

Vielleicht versucht man auch, mittels der Unfallanalyse, die Produktionseinstellung der TU-204 zu beschleunigen?
Sieht zumindest aus meiner Sicht so aus.
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Re: Bruchlandung einer TU-204 in Moskau

Ungelesener Beitragvon Kilo Mike Sierra » Mi 2. Jan 2013, 12:14

Die Tu-204 hat auch ein kürzlich erkanntes Problem mit der Schubumkehr. Wenn die Reverser noch nicht ganz ausgefahren sind und man die Reverser-Hebel zu früh aus der Leerlaufstellung hochzieht, dann kann daraus statt Umkehrschub ein sehr hoher Vorwärtsschub resultieren. (Solche Unfälle (High-Speed Overrun) hat es mehrere mit der Il-62 gegeben, aber die hat auch eine ungünstige Hebelmechanik, die diesen Fehler geradezu herausfordert.)
Ob die Reverser aufgehen, darüber entscheiden u.a. Air-Ground-Schalter am Fahrwerk. Wegen der Unzuverlässigkeit dieser Schalter, besonders bei schlechter Witterung, war einen Tag vor dem Unfall eine Lufttüchtigkeitsanweisung herausgegeben worden.

Das erklärt dann vielleicht auch die inoffizielle Erklärung des Offiziellen (siehe oben). Bremsen oder Schubumkehr.
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Re: Bruchlandung einer TU-204 in Moskau

Ungelesener Beitragvon Rexrsph2011 » Mi 2. Jan 2013, 12:50

Wie muss ich mir das als Laie vorstellen, den Ausfall des Umkehrschubes kann ich mit den Bremsen kaum kompensieren - da je hier die größte Energie vom Flugzeug weggenommen wird.
Wie viel Prozent machen da ungefähr die Bremsen aus bzw. ab welchen Zeitraum betätige ich die Bremsen - um evtl. bei einem Ausfall den Umkehrschub länger zu nutzen ?
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Re: Bruchlandung einer TU-204 in Moskau

Ungelesener Beitragvon Kilo Mike Sierra » Mi 2. Jan 2013, 13:55

Normalerweise werden Schubumkehr und Bremsen parallel eingesetzt, direkt nach dem Aufsetzen.
Am Anfang, d.h. bei hohen Geschwindigkeiten, ist der Umkehrschub sehr stark wirksam. Mit abnehmender Geschwindigkeit läßt seine Wirkung deutlich nach. Unterhalb von ca. 130 km/h wird der Umkehrschub auf Leerlauf-Umkehrschub reduziert (damit die Triebwerke nicht ihre eigenen heißen Abgase vorne wieder einsaugen) und hat dann kaum noch Wirkung. Den „Rest“ müssen dann die Bremsen allein erledigen.
Spätestens bei ca. 30 km/h wird dann auch der Leerlauf-Umkehrschub abgeschaltet und man hat dann normalen Leerlauf-(Vorwärts)Schub.

Setzt man aus Versehen oder wegen eines Defektes an der Logik für den Umkehrschub nach dem Aufsetzen wieder hohen Vorwärtsschub, dann kann man mit den Radbremsen nicht viel dagegensetzen.
Zur Veranschaulichung: Setzt man im Stand Vollschub bei maximaler Bremsung der Fahrwerke, dann bewegen sich viele Flugzeuge dennoch langsam vorwärts, besonders wenn sie nicht voll beladen sind. Die Triebwerke sind somit stärker als die Bremsen bzw. die Haftreibung der Reifen.

Versagen die Fahrwerksschalter der Flight-Ground-Logik, dann läßt sich nicht nur die Schubumkehr nicht ausfahren, sondern auch die Ground-Spoiler (Bremsklappen oder Interzeptoren) fahren nach dem Aufsetzen nicht automatisch aus, so daß der Auftrieb nicht "zerstört" wird. Das allein ist schon ein Riesenproblem, denn dann sind auch die Radbremsen ziemlich wirkungslos, da das Flugzeug nicht mit seinem vollen Gewicht auf dem Boden lastet, sondern noch relativ viel Auftrieb erzeugt. Als Folge bringen die Reifen nicht genug Haftreibung, um wirksam zu bremsen. Selbst wenn jetzt die Schubumkehr doch noch funktionieren würde, ist eine normale Piste nicht lang genug, um unter diesen Bedingungen rechtzeitig zum Stehen zu kommen.

Deine Vorstellung ist somit korrekt, den größten Teil der Bewegungsenergie müssen die Radbremsen aufnehmen.


Es gibt noch viele weitere Gründe (Nässe, Matsch, Eis, Rückenwind, zu schnelles Aufsetzen, zu weites Aufsetzen, ...), warum Flugzeuge bei der Landung oder auch bei einem Startabbruch über das Ende der Piste hinausschießen können. Daher sollte die Sicherheitszone hinter dem Bahnende großzügig bemessen, frei von Hindernissen und Todefallen sein und eine hohe passive Bremswirkung haben (Prinzip Kiesbett).
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Re: Bruchlandung einer TU-204 in Moskau

Ungelesener Beitragvon Rexrsph2011 » Mi 2. Jan 2013, 22:38

Danke Dir KMS, für diese anschaulichen Erklärungen - wie so meistens, werden wohl wieder menschliches wie technisches Versagen unglücklich sich summiert haben.
Man macht ja täglich so seine Betrachtungen bei der Landung der Flugzeuge in unterschiedlichen Situationen , die dann auch grenzwertig sind.
Wenn dann noch technisch was dazwischen kommt, und kein Sicherheitspuffer eingebaut ist (w.z.B. Geländestruktur hinter der SLB), dann kommt es doch mal vielleicht statistisch gesehen in 20 Jahren zu einem größeren Unfall.
Mich wundert es, wo doch heute das kleinste bisschen EU -seitig reglementiert wird, dass es hier nur minimalste Anforderungen an an die Geländestruktur hinter einer SLB gibt.
Wie gesagt, wenn ich mir bei uns so das Gelände anschaue - da gibt es die gleichen Fallen wie in Moskau, mit ultrakurzer Sicherheitszone , starken Gefälle - und gegenüberliegend mit aufgeschütteten Damm an der vorbeiführenden Straße (alles Neubau).

Im Fall von Red Wings bleibt natürlich noch ein großes Fragezeichen , drei ähnlich gelagerte Vorkommnisse bei einer Fluggesellschaft in so kurzer Zeit - dass ist schon heftig !
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Re: Bruchlandung einer TU-204 in Moskau

Ungelesener Beitragvon Kilo Mike Sierra » Do 3. Jan 2013, 13:54

Es gibt Anforderungen an die Hindernisfreiheit in den An- und Abflugsektoren von Pisten, die aber offensichtlich nicht zwingend sind. So wird bei Pisten über 1.200 m Länge ein Runway End Safety Area (RESA) von 240 m Länge und doppelter Breite der Landebahn gefordert. Ich halte diese Forderungen für äußerst unzureichend, da sie die heutigen Gegebenheiten (schwere, schnelle Flugzeuge) nicht ausreichend berücksichtigen. Ein Geländeeinschnitt wird zudem nicht als Hindernis angesehen.
Wie sich u.a. beim Unfall der Tu-204 gezeigt hat, sind 240 m RESA-Länge gar nichts.
Es geht hier um den Abbau kinetischer Energie, die mit der Masse linear und mit der Geschwindigkeit quadratisch ansteigt.

Ich kenne auch eine Menge von Flughäfen*, die unter diesem Gesichtspunkt extrem gefährlich sind. Die Vereinigung Cockpit veröffentlicht jedes Jahr eine Flughafen-Mängelliste, die sich aber leider nur auf deutsche Flughäfen beschränkt. Auch sind die Mängelkriterien sehr milde und manche Risiken (z.B. das Geländeprofil) scheint man gar nicht bewerten zu wollen.

*) Sao Paulo-Congonhas (kriminell gefährlich, gehört eigentlich sofort geschlossen), Quito (in mehrere Hinsicht sehr gefährlich, wird in absehbarer Zeit geschlossen), Mashhad (hohe Betonmauer um den Flughafen), Funchal (40 m hinter Pistenende senkrechter Abgrund), Toronto, Madrid, Luxemburg, London-City, ...
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Re: Bruchlandung einer TU-204 in Moskau

Ungelesener Beitragvon Flieger Bernd » Mo 14. Jan 2013, 18:45

Donnerstag, 10. Januar 2013 - 6:13
Die Ursache für das tragische Unglück vom 29. Dezember soll offenbar eine defekte Schubumkehr sein.
Dessen Funktionstüchtigkeit war bei den schwierigen Wetterbedingungen am am Moskauer Flughafen Wnukowo besonders wichtig.
Es lag Schnee und ein starker Wind fegte über das Gelände.
Doch die zentrale Bremstechnik versagte offenbar gleich bei beiden Motoren,
wie die russische Wirtschaftszeitung Kommersant aus Ermittlerkreisen erfahren haben will..

http://www.aerotelegraph.com/defekte-sc ... 04-wnukowo

http://www.aerotelegraph.com/crash-mosk ... rschriften
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